Am Anfang stand eine E-Mail von Chefredakteur Christoph Pepper, die ich am 19. September vorigen Jahres in meinem Postfach fand: „Ausschreibung: Journalistenreise nach Nairobi, Kenia und Addis Abeba, Äthiopien (24.01.-01.02.2017)“ las ich in der Betreffzeile – und sofort stieg mein Puls. Afrika – das ist spätestens seit 1989 meine Welt und mein Thema.
Eingeladen zu der Recherchereise hatte die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) – und zwar speziell Journalistinnen und Journalisten von regionalen Tageszeitungen, die keine eigenen Korrespondentenbüros in Afrika unterhalten, ihren Lesern aber trotzdem Informationen aus erster Hand über den Kontinent bieten möchten. Nachdem ich die Modalitäten gelesen hatte – unter anderem die Anforderungen an die Bewerbung um einen der sechs Plätze – machte ich mich direkt ans Werk. Ein Motivationsschreiben, drei Arbeitsproben, ein Lebenslauf und die Einverständniserklärung des Arbeitgebers waren schnell zusammengestellt – und dann hieß es warten.
Knapp zwei Monate später, am 16. November, kam die Zusage der DGVN. Und damit konnte die detaillierte Vorbereitung auf die Reise beginnen. Visa-Anträge für beide Länder ausfüllen, die geforderten Impfungen auf den neuesten Stand bringen und Informationen einholen zum vorgegebenen Reisethema „Nachhaltige Stadtentwicklung“. Am 24. Januar war es dann soweit: Um 6.50 Uhr ging es von Hannover über Frankfurt nach Nairobi. Erst beim Zwischenstopp auf dem größten deutschen Flughafen lernte ich die Mitreisenden kennen: eine Kollegin und zwei Kollegen von Tageszeitungen, die Chefredakteurin eines Magazins für internationale Kultur- und Gesellschaftsthemen und eine Bloggerin, die freiberuflich auch für den Hörfunk arbeitet, sowie den Mitarbeiter der DGVN, der zu der Reise eingeladen und die Auswahl der Mitreisenden getroffen hatte.
Nach gut achtstündigem Flug setzte die Lufthansa-Maschine auf dem Jomo Kenyatta International Airport in der kenianischen Hauptstadt Nairobi auf. Ich war zurück in dem Land, das seit 1989 so häufig das Drehkreuz für meine ausgedehnten Recherchereisen gewesen war (siehe Beitrag unten und das ich zuletzt vor 21 Jahren besucht hatte. Der Unterschied zu damals wurde schon kurz nach Verlassen des riesigen Flughafen-Geländes deutlich. 1996 konnte man auf dem Weg über die Mombasa Road Richtung Innenstadt noch den atemberaubenden Blick auf den Nairobi National Park genießen mit Giraffen, Nashörnern, Zebras und all den anderen Tieren, die Kenia zu einem der beliebtesten Reiseziele für Afrika-Liebhaber machen. Inzwischen aber ist dieser Blick komplett versperrt von Fabrikgebäuden, Hotels, Slums und Müllhalden. Wer noch freie Sicht auf den National Park haben will, muss sich einen Platz auf einer der Hotelterrassen am Rande der Mombasa Road sichern – und dort auch etwas verzehren.
Nach einer kurzen ersten Nacht in einem kleinen Hotel am Rande Nairobis lernte ich frühmorgens gleich den zweiten großen Unterschied zu meinem letzten Aufenthalt in der kenianischen Hauptstadt kennen: Hatte ich damals schon geglaubt, dass der Verkehr in der Millionenstadt kurz vor dem Kollaps stand, musste ich jetzt erkennen, dass 1996 noch vergleichsweise paradiesische Zustände auf den Straßen herrschten. Knappe zwei Stunden brauchten wir mit unserem Minibus für eine acht Kilometer lange Strecke zu unserem ersten Termin – jetzt verstand ich auch, warum unser Reiseleiter die Abfahrt für 7 Uhr angesetzt hatte, obwohl das Treffen mit den Mitarbeitern der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) erst für 9 Uhr anberaumt war.
Überhaupt blieb der chaotische Verkehr eine der prägenden Erinnerungen an die vier Tage in Nairobi. Sei es bei Terminen im kenianischen Transportministerium, der Fahrt in einen der rund 200 Slums der Vier-Millionen-Metropole, beim Besuch des weltweit drittgrößten UN-Geländes im vornehmen Stadtteil Gigiri oder dem Versuch, die Innenstadt per Auto zu erreichen – immer wieder standen wir bei rund 30 Grad in einer stinkenden Abgasglocke im Stau. Der Aufwand lohnte sich jedoch, denn immer wieder traf ich bei den verschiedenen Terminen hochinteressante Gesprächspartner, konnte wichtige Informationen sammeln und faszinierende Eindrücke auf mich wirken lassen.
Besonders in Erinnerung ist mir Mary Killeen geblieben. Die irische Ordensschwester arbeitet seit mehr als 40 Jahren in Kenia und hat im Stadtteil Mlolongo eine Schule aufgebaut, in der rund 1000 Kinder aus dem angrenzenden Slum ganztägig unterrichtet und betreut werden. Ihre Freude über die beiden Kartons mit Buntstiften und Kugelschreibern, die ich ihr im Namen des „Mindener Tageblatts“ für die Kinder überreichte, wäre auch nicht größer gewesen, wenn ich ihr einen Koffer mit Geld gegeben hätte.
Nach vier Tagen und einem straffen Programm ging die Reise weiter nach Addis Abeba – komplettes Neuland für mich, aber eine gute Gelegenheit, zwei der größten Städte Afrikas und ihre Entwicklung zu vergleichen. Erstes Fazit: Die Luft ist in der rund 2500 Meter hoch gelegenen äthiopischen Hauptstadt noch einmal deutlich „dünner“ als in Nairobi (1700 Meter hoch) und das Atmen fällt deutlich schwerer. Zweites Fazit: Der Verkehr läuft viel geregelter und stressfreier als in Kenia – kaum Staus, ein funktionierender Busverkehr und sogar eine Stadtbahn sorgen für entspannteres Fahren. Drittes Fazit: Die Äthiopier sind ein stolzes Volk. Deutlich wird das, sobald man die Kamera zückt. Während viele Kenianer sich förmlich drängen, um aufs Bild zu kommen, möchten viele Äthiopiern gefragt werden, bevor man sie fotografieren darf.
Ähnlich wie in Nairobi war das Programm in Addis Abeba, das die DGVN vorbereitet hatte: Termine in verschiedenen Ministerien, Gespräche mit Vertretern von Hilfsorganisationen, der Besuch einer kleinen Fabrik, die Öfen zur Herstellung des traditionellen Fladenbrots Injera produziert – und zum krönenden Abschluss ein Empfang beim deutschen Botschafter Joachim Schmidt, der zu einem opulenten Abendessen eingeladen hatte. Nach acht aufregenden Tagen ging’s mit einem elfstündigen Flug und einer Zwischenlandung im saudi-arabischen Dschidda zurück nach Deutschland. Wenn ich ehrlich bin, gucke ich schon wieder ab und an mal in mein Postfach, ob eine E-Mail mit der Betreffzeile „Afrika“ angekommen ist …
Von Karsten Versick, Nachrichtenredaktion
(Aus der kommenden Ausgabe unseres Mitarbeiter- und Kundenmagazins johann!)