Nach Sarrazin meint jetzt auch Seehofer, dass wir keine Ausländer mehr brauchen. Gut, dass das noch nicht bis Minden durchgedrungen ist. Jedenfalls nicht so richtig, nach meinem Gefühl als bekennender Ausländer in Ostwestfalen.
Da lebe ich nun schon über 29 Jahre, davon die ersten beiden ganz nah an einem Ausländerghetto an der Dombrede. Das Lager ist heute längst aufgelöst.
Ich zog dann nach Häverstädt und stellte fest, dass dort eine ganze Reihe Ausländer wohnten, die schon länger einen Mindener Pass hatten. Sie waren aus dem Osten und Süden, ja sogar aus dem Norden zugewandert. Ihre Kinder hatten sich gar durch Heirat in Ureinwohnerfamilien quasi eingekauft. Und auch wir fanden herzliche Aufnahme. Selbst beim damals noch den echten Einheimischen vorbehaltenen Montagsabend beim jährlichen Volksfest durften wir gleich dabei sein – ohne blöde als Ausländer angequatscht zu werden. Wenn doch bloss alle so wären. Erst mal nett zum Fremden, dann sieht man was es für einer ist.
Einmal war es kritisch. „Deinen Einstand hier in Häverstädt kannste aber schon mal geben“, raunte mich einer an der Theke an. Die Sprache kenn ich, die spricht man auch in meiner alten Heimat.
Ja Heimat. Minden ist nie richtig Heimat für mich geworden, trotz des längst erworbenen Mindener Ausweises. Zwei meiner Kinder sind hier geboren, einer schon wieder weggezogen. Die Älteste hatten wir im Rahmen der Familienzusammenführung mitgebracht, aber sie hat sich schneller an die andere Sprache hier gewöhnt als ihre Eltern und uns dann die richtige Aussprache beigebracht. Wir sagen heute ungekünstelt auch Ki-a-che wo wir Kirche meinen und fragen „Wo kommst du wech?“ statt „Woher kommst du?“. Das lernt man in keinem Kurs für Ausländer, nur im Alltag mit Einheimischen. Zugegeben, vom Aussehen haben wir es leichter als andere: Wir sehen so aus wie Ur-Mindener. Jedenfalls fast oder mindestens ähnlich.
Aber wir wollen auch unsere eigene Kultur behalten, jedoch niemandem aufdrängen. Wir machen manches Mindener Brauchtum mit. Aber nicht alles, und wenn, dann richtig – wie echte Ureinwohner. Zum Beispiel beim Bürgerschießen. Aber zur Stippgrütze müsste man uns zwingen. Zu Hause essen wir Schwärchen oder Braunkohl mit Brägenwurst. Wir bekennen uns eben zu Herkunft aus Südniedersachsen und sind trotzdem integriert in Minden.
Wie sagt der große Deutsche Karl Valentin, der ein echter Bayer war: Fremd ist der Fremde nur in der Fremde. Auch in Minden.
In diesem Sinne: Schönes Wochenende
Von Etlon Tumtrah, Lokalredaktion