Modernes Raubrittertum mit vier Buchstaben?
Gema.
Diese Floskel kursiert seit Jahren in Vereinen und Organisationen, die mühsam mit selbst organisierten Veranstaltungen, bei denen auch Musik gespielt wird, das Fortbestehen ihrer Aktivitäten sichern und dann einen Teil ihrer schwer er- arbeiteten Einnahmen an jene Verwertungsgesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte abführen müssen. Denn für jeden Klingklang, der nicht Gema-frei ist, hält die Gesellschaft ihre Hand auf und ist dabei so gut mit in Sachen „Abhörtätigkeit“ aktiven Mitarbeitern bestückt, dass ihr keine gespielte Note entgeht, die ein Instrument oder einen Lautsprecher verlassen hat.
Und in dieser Woche haben Richter nun auch noch zusätzliches Öl ins lodernde Gema-Feuer geschüttet. Die „modernen Raubritter“ haben vor dem Bundesgerichtshof höhere Berechnungsgrundlagen für das Spielen von Musik auf Märkten erstritten. Pünktlich vor dem ersten Advent trifft das natürlich zunächst einmal vor allem die Weihnachtsmärkte.
Und nun fürchten die Schausteller „stille Weihnachten“, weil bei ihnen das Geld auch nicht so locker sitzt, dass sie noch zusätzliche Gebühren bestreiten können.
Nun mag der eine oder andere Besucher eines Weihnachtsmarktes zwar denken, dass 100 verschiedene Weihnachtslieder, die gleichzeitig aus Buden und Karussells erschallen, nicht unbedingt ein Hörgenuss sind. Somit der gerichtliche Gema-Erfolg sogar seine Vorteile haben könnte. Aber seien wir doch mal ehrlich. Ein Weihnachtsmarkt ganz klanglos, das ist doch auch nicht das Wahre.
Bliebe als Alternative das Selbersingen. Horden von Bürogemeinschaften, Freundeskreisen und anderen Gruppierungen ziehen mit einem fröhlichen Weihnachtslied auf den Lippen über Markt und Scharn. Damit würde deutsches und internationales Liedgut gepflegt, die Atmungsorgane würden trainiert, die Kommunikation untereinander angesichts der Kritik an falsch gesungenen Liedzeilen gefördert. Das wäre doch ein fröhlicher Weihnachtsauftakt.
Würde sich das durchsetzen, wäre aber zu befürchten, dass die Gema eine neue Einnahmequelle auftut. Und jeder singende Bürger bekäme dann am Jahresende eine Rechnung in der Art: „Sie haben in diesem Jahr insgesamt vier Stunden und 53 Minuten gesungen. Dafür berechnen wir Ihnen 29,73 Euro. Und da Sie Ihr Singen vorher nicht bei uns angemeldet haben, berechnen wir Ihnen die doppelte Summe.“
In diesem Sinne: ein schönes Wochenende!