Kann man Politiker eigentlich für die Verschwendung kostbarer Lebenszeit anderer Menschen haftbar machen? Wäre doch ein interessanter Auftrag für das städtische Rechtsamt, dieser Frage nachzugehen. Wenn ja, wie aber könnten die entsprechenden Politiker, die kostbare Lebenszeit ihrer Mitmenschen aufzehren, bestraft werden?
Jedenfalls ist dieses in Minden ein zunehmend ernstes Thema, wie die jüngste Ratssitzung beweist. Abgesehen davon, dass es immer wieder vereinzelte heimische Volksvertreter(innen) gibt, die (leider) lang und breit belanglosen Unsinn von sich geben, kommt der ein oder andere im Ratsrund nun auch noch auf die Idee, mal eben so geheime Abstimmungen zu beantragen, wenn es darum geht, einen Entwurf zu verabschieden.
Der Duden schreibt beim Wort „Entwurf“, dass dieser als Synonym für eine Rohfassung, ein Konzept, ein Modell, ein Muster oder eine Skizze stehe, also nichts Fertiges, was auch nur in entferntester Art und Weise geheim abgestimmt werden müsste. Denn es ist nicht endgültig, kann verändert werden. Ja, sogar ein Politiker, der überhaupt keinen Schimmer von irgendetwas hat, könnte hier noch Einfluss nehmen.
Und dennoch kommt ein liberales Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, das offensichtlich gerade zu viel Freiheit geschnupft hat, auf die Idee, über einen Entwurf geheim abstimmen zu lassen. Andererseits deutet diese Haltung darauf hin, dass zumindest dieser Politiker so wenig Mumm in den Knochen hat, nicht einmal für die Rohfassung eines Vorhabens mit einem klaren und offenkundigen Ja oder Nein geradestehen zu wollen.
Wäre dieser Antrag durchgekommen – elf Ratsmitglieder stimmten sogar dafür – wäre kostbare Lebenszeit verschwendet worden, die viele andere Menschen für das Vorankommen in vielen gesellschaftlichen Bereichen hätten einsetzen können. Glücklicherweise aber sah das in diesem Falle eine große Mehrheit offensichtlich genauso und lehnte den Antrag ab.
Dabei fällt mir gerade eine gerechte Strafe für solche Zeitverschwender ein: 24 Stunden lang die Aufzeichnung einer ganz normalen Mindener Ratssitzung betrachten. Gefühlt wäre das Folter auf hohem Niveau – und das, obwohl manch eine Sitzung der Stadtverordnetenversammlung ziemlich niveaulos ist.
In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!
Hans-Jürgen Amtage