Deutschlands Tageszeitungen sehen sich trotz sinkender Printauflagen und zurückgehender Anzeigenumfänge zwar vor wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen, aber angesichts anhaltenden Wachstums der digitalen Reichweite auch gut für die Zukunft gerüstet. Exzellenter professioneller Journalismus bleibe auch langfristig das Kerngeschäft der deutschen Zeitungsverleger; ihn nachhaltig zu finanzieren, sei die größte Aufgabe, erklärte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) am Dienstag auf seiner Jahrespressekonferenz in Berlin.
Beim E-Paper-Verkauf erlebe die Branche einen Boom: Der Absatz von Digitalzeitungen etwa für Smartphones und Tablets sei im ersten Quartal 2014 um 64 Prozent auf 560 000 Exemplare im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Das reiche allerdings nicht, um die Printverluste auszugleichen, erläuterte BDZV-Verlagsexperte Jörg Laskowski. Die verkaufte Auflage aller Zeitungen ging in dem Zeitraum um 3,23 Prozent auf 21,51 Millionen Exemplare zurück. Im Jahr 1993 waren es 33,14 Millionen gewesen.
Auch der Gesamtumsatz der Branche fiel – im vergangenen Jahr sank er um 4,4 Prozent auf 7,87 Milliarden Euro. Zwar blieben dabei die Vertriebserlöse, also die Einkünfte aus Abos und Kioskverkauf, mit minus 0,4 Prozent stabil. Doch bei Anzeigen und Beilagen gab es einen Einbruch von knapp 10 Prozent. Der Verlegerverband sieht einen Silberstreif am Horizont. So kehrten Discounter als Anzeigenkunden wieder zu den Zeitungen als Werbeträger zurück, wie Laskowski sagte.
Damit fällt für den Verband die Branchenbilanz gemischt aus. «Es gibt unter den 329 Zeitungsverlagen in Deutschland Häuser, bei denen die Geschäfte gut laufen, aber es gibt auch Unternehmen, die müssen Tag für Tags aufs Neue im Markt kämpfen», sagte Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff.
Im Zentrum der Verlagsstrategien stehe die Weiterentwicklung der Zeitung in all ihren Ausprägungen, erläuterte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff. Dabei eröffneten die digitalen Technologien neue Möglichkeiten, Inhalte zu präsentieren. Von der klassischen gedruckten Zeitung über E-Paper, Apps für Smartphones und Tablets, stationäre und mobile Webseiten bis zu Social-Media-Kanälen wie Facebook und Twitter reiche das publizistische Angebot. Bei der dringend notwendigen Übertragung der Bezahlkultur aus der gedruckten in die digitale Zeitungswelt seien die Verlage auf einem guten Weg. Wolff führte aus, dass die Zeitunghäuser „so mutig und innovativ“ seien wie nie zuvor und noch stärker als bisher neue digitale Inhalte und auch Dienstleistungen anböten. Dabei gebe es keine Patentrezepte. „Jedes Unternehmen muss für sich herausfinden, was die Kunden wollen und was zur eigenen Marke passt.“
In der immer stärker fragmentierten Medienwelt sei die Zeitung der Kommunikationsriese, der täglich mit einem Massenpublikum intensiv kommuniziere. Die Zeitungsmarken erreichten über alle Ausspielkanäle hinweg mehr als 57 Millionen Menschen in Deutschland. 81 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung seien Zeitungsleser – auf Papier, auf PCs und Tabletcomputern, auf Smartphones. „Zwar verlieren wir leider an gedruckter Auflage, doch über die digitalen Kanäle legen die Verlage enorm zu“, betonte Wolff.
Bisher hätten 79 Verlage Bezahlmodelle im Netz etabliert, zum Jahresende sollen es 100 sein. Das teilte BDZV-Multimedia-Fachmann Hans-Joachim Fuhrmann mit. Klar sei, dass die Branche im Netz nur mit Bezahlmodellen Qualitätsjournalismus sichern könne. „Werbefinanzierung wird es nicht bringen.“
In der Zeitungsbranche bestehe Konsens, die Angebote nicht mehr komplett gratis zu machen. Inzwischen gebe es auch eine gelebte Bezahlkultur im Netz. Die Nutzer akzeptierten, für Spiele, Musik, Videos und auch Zeitungsinformationen zu bezahlen. 25 Prozent aller Internetnutzer gäben bereits Geld für digitale journalistische Inhalte aus.
Neben den Webseiten entwickelten die Verlage intensiv Apps für Smartphones und Tablets. Mittlerweile würden 530 Apps (Juli 2013: 450) angeboten. Die meisten orientierten sich stark an klassischen Zeitungsinhalten und folgten damit dem gelernten Nutzungsverhalten der Leser.
„Die Zeitung in all ihren Spielarten und in einem hoch diversifizierten Informations- und Serviceangebot ist das Leitmedium Deutschlands“, stellte Wolff fest. In der Leseranalyse Entscheidungsträger LAE 2014 hätten die Zeitungstitel allesamt zugelegt. Wer mitgestalten wolle, brauche die Zeitung. Laut einer vor wenigen Wochen vorgestellten Studie der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) habe die Bedeutung des Mediums für die Meinungsbildung noch zugenommen, während TV in dieser Disziplin an Relevanz verloren habe. Das Allensbacher Institut für Demoskopie habe der Zeitung einmal mehr ihre starke Verwurzelung im Lokalen bestätigt: 86 Prozent der Zeitungsleser interessierten sich vor allem für die Berichterstattung aus dem unmittelbaren Lebensumfeld. Danach folgten – noch vor dem Sport – innen- und außenpolitische Themen. „Professionalität und Glaubwürdigkeit sind unsere Assets, das zieht sich wie ein roter Faden durch die Studien.“ Selbst die Zwölf- bis 19-Jährigen attestierten laut JIM-Studie der Zeitung die höchste Glaubwürdigkeit, ergänzte Wolff.
Quellen: DPA, BDZV