Im Jahr 2015 sind weltweit 110 Journalisten getötet worden. Mindestens 67 von ihnen starben wegen ihrer Arbeit – einer mehr als im Jahr 2014. Das geht aus dem zweiten Teil der Jahresbilanz der Pressefreiheit hervor, den die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ am 29. Dezember veröffentlicht hat. Danach wurden weltweit wurden 2015 auch 27 Bürgerjournalisten und sieben Medienmitarbeiter getötet.
Besonders viele Journalisten starben laut Bericht im Irak, in Syrien, in Frankreich und imJemen in Ausübung ihrer Tätigkeit. Obwohl dies überwiegend Kriegsländer sind, ist nach Auffassung von ROG allerdings eher der Anschlag auf die Zeitschrift Charlie Hebdo charakteristisch für die globale Entwicklung: Fast zwei Drittel der weltweit getöteten Journalisten starben in diesem Jahr außerhalb kriegerischer Konflikte. In 43 Fällen waren die Motive für die Taten bislang nicht zu eindeutig klären.
„In viel zu vielen Ländern riskieren Journalisten ihr Leben, wenn sie über brisante Themen recherchieren oder die Mächtigen kritisieren“, wird ROG-Vorstandssprecherin Britta Hilpert auf der Website der Organisation zitiert. Diese Zahlen zeigten, dass bislang alle internationalen Bemühungen ins Leere liefen, gezielte Gewalt gegen Journalisten zurückzudrängen.
Irak, Syrien, Frankreich und Jemen waren die gefährlichsten Länder
Die weltweit gefährlichsten Länder für Journalisten waren 2015 nach den ROG-Recherchen der Irak und Syrien: Dort seien jeweils mindestens neun Journalisten wegen ihrer Arbeit getötet worden. In der syrischen Stadt Aleppo stünden Journalisten nun im fünften Jahr des Bürgerkriegs zwischen allen Fronten. Im irakischen Mossul hätten die Dschihadisten der Terrororganisation „Islamischer Staat“ reihenweise Journalisten entführt, vertrieben oder ermordet, um unabhängige Informationen zu unterdrücken.
Auch Europa wurde zum Schauplatz von mörderischer Gewalt gegen Journalisten: In Frankreich wurden bei dem Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo acht Mitarbeiter des satirischen Wochenblatts ermordet. Im Jemen starben mindestens sechs Journalisten wegen ihrer Arbeit – dort greifen die Huthi-Rebellen Redaktionen auch mit schweren Waffen an und entführen politisch unliebsame Journalisten.
Journalismus ist weltweit ein lebensgefährlicher Beruf. In Indien etwa leben Journalisten besonders gefährlich, die über Verbindungen zwischen organisiertem Verbrechen und Politik oder über heikle Umweltthemen recherchieren. In Mexiko hat die Ermordung eines Fotojournalisten in der Hauptstadt gezeigt, dass sich die Gewalt gegen Reporter nicht auf notorisch gefährliche Regionen wie die Bundesstaaten Veracruz und Oaxaca beschränken lässt. In Bangladesch ermordeten mutmaßliche Islamisten innerhalb eines Jahres vier säkulare Blogger.
ROG: Straflosigkeit ermutigt Täter zu weiteren Gewalttaten
Dass die Motive für so viele Morde an Journalisten unklar bleiben, liegt laut ROG oft am Fehlen unabhängiger und umfassender Ermittlungen, an mangelndem politischem Willen oder daran, dass die instabilen Verhältnisse vor Ort keine ordentliche Untersuchung zulassen. Im Wortsinn fatal ist auch die in vielen Ländern verbreitete Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten: Sie trägt dazu bei, dass sich die Täter in Sicherheit wiegen und zu weiterer Gewalt gegen kritische Stimmen ermutigt fühlen können.
Um gefährdete Reporter besser zu schützen, wirbt „Reporter ohne Grenzen“ bei den Vereinten Nationen dafür, einen UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten einzusetzen. Er könnte die UN-Mitgliedsstaaten zur Einhaltung ihrer einschlägigen völkerrechtlichen Pflichten anhalten und als Frühwarnstelle für akute Gefährdungsfälle fungieren.
Bericht auf der Website von „Reporter ohne Grenzen“
Bilanz zu entführten, inhaftierten und verschwundenen Journalisten