Zum Umgang mit dem Kindeswohl / Hemmschwellen zur Sprache gebracht
VON SVENJA KRACHT
Minden (kra). Die Arbeit der Jugendämter war das Thema der Telefonaktion, die das Mindener Tageblatt in Kooperation mit den Jugendämtern des Kreises, der Stadt Minden und der Stadt Porta Westfalica anbot. Zu beantwortende Fragen gab es einige.
Auskunft über die Arbeit der Jugendhilfe gab es am MT-Aktionstelefon. Am anderen Ende der Leitung waren: Jutta Riechmann, Thorsten Bülte und Hans-Ulrich Kehnen (v.l.).
Auskunft über die Arbeit der Jugendhilfe gab es am MT-Aktionstelefon. Am anderen Ende der Leitung waren: Jutta Riechmann, Thorsten Bülte und Hans-Ulrich Kehnen (v.l.). | Foto: Svenja Kracht
Hans-Ulrich Kehnen, Arbeitsgruppenleiter für den Allgemeinen Sozialdienst (ASD) beim Kreisjugendamt, Jutta Riechmann, Bereichsleiterin beim Jugendamt der Stadt Minden und Thorsten Bülte vom Jugendamt der Stadt Porta Westfalica waren am Dienstagabend für telefonische Fragen der Bürger rund um die Themen Kinderschutz, erzieherische Bereiche sowie die allgemeine Arbeit des Jugendamtes am MT-Telefon (das MT berichtete).
„Unserer Erfahrung nach sind die Leute bei diesem Thema immer etwas zurückhaltend und die Schwelle ist sehr hoch, ein Problem, das eventuell mit Kindeswohlgefährdung zu tun hat, anzusprechen“, so Jutta Riechmann. Es entstehe oft der Eindruck jemanden „anschwärzen“ zu wollen. Die Angst vor einer nicht anonymen Aussage sei groß und so werden mehr Mails verfasst, als Anrufe getätigt.
Anrufe unterliegen dem Datenschutz
„Die Anrufer müssen wissen, dass alles, was sie sagen, dem Datenschutz unterliegt und ihr Name nicht weitergegeben wird“, stellt Thorsten Bülte klar. Man müsse sich überwinden mit Fachkräften zu sprechen und schon den geringsten Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung zur Sprache zu bringen. „Wir geben den Leuten am Telefon immer ein positives Feedback, weil es wirklich wichtig ist, dass sie überhaupt den Mut haben, bei uns anzurufen und somit Zivilcourage beweisen“, erklärt Hans-Ulrich Kehnen. Oft reiche schon die Versicherung, dass sich jemand am anderen Ende der Leitung um die Angelegenheit kümmere.
Dabei handelt es sich um Angelegenheiten wie die Entdeckung von Verletzungen auf dem Rücken eines Mitschülers. Eltern von Klassenkameraden melden sich beim Jugendamt. Oft melden sich auch Nachbarn, die sich wundern, dass man die Kinder im Haus gegenüber nie draußen sehe. „Ob dann letztendlich etwas an dem Fall dran ist, weiß man nicht, aber es ist natürlich umso schöner, wenn sich herausstellt, dass es keine Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung gibt“, sagt Jutta Riechmann. Sie gibt den Tipp, einfach selbst mit den betroffenen Personen in Kontakt zu treten und nachzufragen, was los sei und ob man helfen könne.
Pro Tag eine Verdachtsmeldung
Haben die Berater am Telefon jemanden, der eine konkrete Situation beschreibt, gibt es einen sogenannten „Meldebogen Kindeswohlgefährdung“. Dabei handelt es sich um vier Seiten, in denen der Fall detailliert beschrieben und am Ende eine Einschätzung vorgenommen wird. „Die Leute sind fast immer bereit, sich zum Ausfüllen dieses Bogens 15 Minuten Zeit zu nehmen, sie fühlen sich damit ernst genommen“, so Hans-Ulrich Kehnen. Die Einschätzung erfolgt immer zu zweit – genauso wie Hausbesuche bei Familien.
Die Vorgehensweise nach einem Telefonat unterscheidet sich von Fall zu Fall: Ist die Familie beim Jugendamt schon bekannt und wird vielleicht schon betreut? Wie konkret ist die Aussage des Anrufers einzuschätzen? Die Arbeit von Jugendämtern gerät oft nur ins
Blickfeld, falls es ein negatives Fallbeispiel gibt. „Natürlich gibt es Fälle, bei denen eine Gefährdung nicht abzusehen war, aber es ist schlimm, wenn der Eindruck entsteht, dass wir gar nichts machen würden“, erzählt Jutta Riechmann.
Im Schnitt gebe es bei den Jugendämtern des Kreises, der Stadt Minden und der Stadt Porta Westfalica eine Verdachtsmeldung pro Tag. „Telefonaktionen wie diese helfen, den Bereich zu thematisieren und Prävention zu betreiben“, schlussfolgert Thorsten Bülte.
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