Am besten aufgewärmt / Auch „Blindhuhn“ genannt
Wenn meine Mutter auf die Standardfrage des Schülers „Was gibt´s heute?“ die Antwort „Buntes Huhn“ gab, saß ich schneller am Küchentisch, als sie sich umdrehen konnte.
„Nun wasch dir aber erst mal die Hände“, ließ sie mich dann noch länger auf eines meiner Hauptessensvergnügen warten. Heute glaube ich, sie hat die kleine Piesackerei genossen.
„Buntes Huhn“ war zwar „nur“ ein Eintopf, aber für mich damals das Gegenteil von Graupensuppe oder Linseneintopf (letzteren esse ich heute wieder gern). Eintöpfe gehörten in meiner Pennälerzeit in den sechziger Jahren bei uns zu den Standardgerichten, neben Pellkartoffeln mit Hering (für mich ersatzweise Quark) oder Reibekuchen, die bei uns Puffer hießen.
Auch das „Bunte Huhn“ hat je nach Region andere Namen. Hierzulande soll es „Blindhuhn“ heißen. Was bei uns zu Hause nicht passend gewesen wäre, da mein Vater erblindet aus dem Krieg zurückgekommen war.
„Weißer Bohneneintopf“ oder plattdeutsch „Witte Bohn“ ist auch ein Name für das gleiche Alltagsgericht. Der Name Löchtebohnen, also lichte, helle Bohnen lässt auf den Hauptinhalt schließen, eben weiße, oder fahle (Pal-) Bohnen. Das sind Bohnensamen, die man trocknen ließ, bis sie weiß waren. Heute kann man sie dosenweise kaufen. Bunt ist der Eintopf, in den statt Federvieh Schweine- oder Rindfleisch gehört, weil er grüne und weiße Bohnen und rote Wurzeln als Hauptbestandteile hat.
Ganz in Rot, weil mit jeder Menge Ketchup vermischt, kommen weiße Bohnen, im Topf über der Dreibeinfeuerstelle erhitzt, auf Blechtellern serviert und mit selbst geschnitztem Holzlöffel am flackernden Prärielagerfeuer vor dem roten Abendhimmel gegessen, in jedem Westernfilm vor, der etwas auf sich hält (entsprechende Filmmusik als Beilage). In meinen jugendlichen Cowboyträumen gab es dort immer „Buntes Huhn“.
Ganz ohne diese Romantik, aber viel schmackhafter nämlich war der Löchtebohnen-Eintopf, den meine nunmehr 91-jährige Mutter mit viel Liebe stets „frei nach Schnauze“ – sie ist gebürtige Berlinerin – zusammenrührte. Bei ihr schmeckte und schmeckt jedes „Bunte Huhn“ anders, aber immer klasse.
Und das schönste an dem Eintopf, zu dem gewöhnlich dick mit Butter beschmierte geviertelte Graubrotscheiben gegessen wurden, war, dass Mutter mehr als genug gekocht hatte.
Denn, wie Eintopfgourmets wissen, Erbsen, Bohnen, Linsen schmecken am nächsten Tag noch besser. Das wusste schon Wilhelm Buschs Witwe Bolte: „Wovon sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt, heißt es bei dem Wiedensahler Comic-Erfinder. Ich weiß, das bezog sich auf Sauerkraut, gilt aber auch für Eintopf. Besonders für „Buntes Huhn“.
Ja, man hat länger was davon. Denn es sind Hülsenfrüchte und schon der Comiker Heinz Erhardt war offenbar ein Seelenverwandter von mir und dichtete: Es gibt Gerüchte, dass Hülsenfrüchte, in Mengen genommen, nicht gut bekommen. Das macht nichts, ich finde das fein: Wer möchte nicht auch mal ein Blähboy sein.“
Buntes Huhn
Zutaten: (für vier Personen) : 750 Gramm Schweinerippchen oder Rinder-Suppenfleisch, 250 Gramm grüne Bohnen, 250 Gramm Wurzeln, ein Glas weiße Bohnen, 1 Stange Lauch, Salz und Pfeffer zum Abschmecken
Zubereitung: Fleisch im Wasser ca 20 Minuten kochen (vollständig bedeckt), grüne Bohnen, Wurzeln und Lauch klein geschnitten hinzutun, weitere zehn Minuten köcheln lassen, dann die weißen Bohnen hinzufügen und noch einmal zehn Minuten auf kleiner Flamme kochen lassen. Abschmecken und servieren. Dazu schmeckt gebuttertes Graubrot in Viertelscheiben.
Nachtisch: 1 Gläschen Korn (wegen des Huhns, das sonst nur im Namen steht). (hn)