Presse und Politik leben in einem ambivalenten Verhältnis. Sie brauchen sich gegenseitig, stehen aber auf verschiedenen Seiten. Dass das zu Spannungen führen kann, zeigte am Freitag ein Prozess vor dem Amtsgericht Minden.
Hier hieß es nicht Caroline von Monaco gegen „Bunte“ oder Christian Wulff contra „Bild“, sondern Peter Düster gegen J.C.C. Bruns / Mindener Tageblatt und ging doch um das gleiche Prinzip: Wie weit geht die Freiheit der Journalisten, politische Abläufe auch anhand von Verhalten der handelnden Personen zu bewerten und zur Meinungsbildung mit namentlich gekennzeichneter Kommentierung anzuregen.
Konkret ging es um einen Artikel und den zugehörigen Kommentar des Ressortleiters Lokales beim Mindener Tageblatt, Hans-Jürgen Amtage. Der hatte am 3. Oktober 2011 die Aufnahme des Stadtrats und früheren Mitglieds der rechtsextremen Republikaner, Dieter Pelick, in die Zwei-Mann Fraktion des Bürgerbündnisses Minden (BBM) berichtet und die Hintergründe dazu aus seiner Sicht in einem gesonderten Kommentar bewertet.
Dabei übte der Journalist auch Kritik am Vorsitzenden der BBM-Fraktion, Peter Düster. Im Sachbericht wies er darauf hin, wie Düster zum Vorsitz im städtischen Bauausschuss (in dem der Ex-Republikaner beratendes Mitglied war) gekommen war. Der Lokaljournalist kritisierte, dass das BBM den politischen Rechtsaußen Pelick aufgenommen habe. „Macht und Einfluss um jeden Preis“ scheine die Devise zu sein, titelte er seinen als Meinungsäußerung gekennzeichneten Beitrag. Und setzte sich ebenso kritisch mit der Führungsstruktur im Bauausschuss unter Vorsitz von Düster auseinander, die „von Bevormundung bestimmt“ sei.
Empfand Düster diese Einschätzung schon als „unwahre Tatsache“, so sahen er und sein Anwalt Mark Schomaker in der Bezeichnung Düsters im Kommentar als „ehemaliger SPD-Sympathisant“ eine Verunglimpfung von Ehre und Ansehen des Lokalpolitikers. „Eine Schmähkritik“, sagte Düster.
In der Verhandlung übernahm Düster allein die Klagevertretung, sein neben ihm sitzender Anwalt brauchte kein Wort zu sagen. Er erläuterte, dass wegen seiner Sachkenntnis als langjähriger Stadtplaner in Minden und seiner „zügigen Erledigung der Dinge“ („das ist meine Art“) FDP durch Sitzverzicht und CDU durch Vorschlag ihn, den BBM-Mann, in den Vorsitz des Bauausschusses gebracht hätten. Damals sei er aufgefordert worden: „Mach mal ordentlich Dampf im Bauamt“, sagte Düster. Die Sitz- und Vorsitzregelung haben beide Parteien übrigens kürzlich während Düsters Urlaub wieder rückgängig gemacht.
Von einer Bevormundung der anderen Ausschussmitglieder könne keine Rede sein, der Kommentator hätte nur wie er diese befragen sollen. „Das wäre ja noch schöner“ habe einer den Vorwurf verneint, „das mit eingezogenem Kopf zur Kenntnis zu nehmen“ (Zitat aus dem Kommentar).
Allerdings räumte der Kläger ein, dass – wie es auf der Homepage der BBM stand – „sein hohes Engagement für diese Stadt ihn manchmal hart und forsch agieren“ lasse. Den „Rachefeldzug“ gegen eine Verwaltung, in der er seine Vorstellungen nicht habe durchsetzen können, was ihm der Kommentator unterstelle, wies er von sich.
Am meisten getroffen habe ihn der Begriff des „SPD-Sympathisanten“. Er sei über 38 Jahre aktives SPD-Mitglied gewesen, habe dort als „Planungs-Peter“ Ansehen genossen. Nur wegen seiner konträr zur Verwaltung und Stadtratsmehrheit stehenden Ansichten in zentralen Punkten wie zur Zukunft des Rathausbaus und zur Bebauung des Klinikumsgeländes habe er das BBM mitgegründet und sei deswegen zum Parteiaustritt gedrängt worden.
„Andere Bewertung muss zulässig sein“
Die Gegenseite zeigte sich in Äußerungen des Beklagten-Anwalts Dr. Ralf Petring verwundert, wie man in der Bezeichnung als Sympathisant der SPD sich „in die rechte Ecke gestellt sehen“ könne. Petring betonte zudem, dass ein in der Öffentlichkeit handelnder Politiker keinen Anspruch darauf habe, dass die eigene Bewertung seines Verhaltens sich auch in der Zeitung niederschlagen müsse. „Wenn eine andere journalistische Bewertung nicht zulässig ist, können die Zeitungen ihren Laden dicht machen“, wies Petring die Forderung Düsters nach Unterlassung zurück. Solche Kommentierung sei nicht justiziabel, berief er sich auf die Pressefreiheit, einen Grundpfeiler der Demokratie.
MT-Chefredakteur Christoph Pepper wiederum wies darauf hin, dass keine einzige der in der Klageschrift monierten Äußerungen überhaupt so im MT gestanden habe.
Düster hob gegen Ende der halbstündigen Verhandlung darauf ab, dass das MT eine Monopolstellung habe und damit eine „höhere moralische Verpflichtung“ als zu den Zeiten, als es noch drei Lokalzeitungen in Minden gab. Habe früher etwas in einer Zeitung über Bauen und Planung in der Stadt Minden gestanden, was er, Düster, für nicht richtig gehalten habe, dann habe er die anderen beiden Zeitungen angerufen, ließ Düster die Richterin und die Zuhörer wissen.
Eine Monopolzeitung könne „Meinungsbildung durch Weglassen“ betreiben, befürchtete er und begründete dies damit, dass „Artikel gar nicht publiziert“ würden. Dem Kommentator warf er zu große Nähe und persönliche Bekanntschaft mit dem Bürgermeister und zum zuständigen Beigeordneten, Düsters früheren Vorgesetzten, vor. Außerdem habe der Journalist nicht ausreichend recherchiert, „sonst wäre der Artikel nicht publiziert worden“. Er habe ihn „bewusst“ Satz für Satz weiter in die rechte Ecke drängen wollen.
Richterin Freter will bis 3. August, 9 Uhr entscheiden, ob hier eine zu unterlassende, und – so die materielle Forderung – mit 1376,83 Euro zu entschädigende Schmähkritik vorliegt oder sich auch Lokalpolitiker eine journalistische Bewertung ihres Handelns gefallen lassen müssen, die nicht ihrer eigenen Wahrnehmung entspricht.
Autor: Hartmut Nolte
Um diese Artikel geht es in der Klage:
„Zuwachs bei Kleinstfraktion. Bürger-Bündnis nimmt Ex-Republikaner auf“ (MT vom 3. Oktober 2011)
„Kommentar: Macht und Einfluss um jeden Preis“ (MT vom 3.Oktober 2011)