Manche Fußballer sind stolz auf ihre roten Karten. Rückblickend berichten sie über Platzverweise, als handelte es sich um Triumphe in sportlichen Sonderwertungen. Manche Journalisten sind stolz darauf, wenn sie sich mit Behörden anlegen. Je mehr Ärger, desto höher die Reputation, glauben sie. Ungünstig ist allerdings, wenn man seinen schlechten Ruf um den Preis vernünftiger Informationen verteidigen will. Nicht jede Auseinandersetzung lohnt, das Leserinteresse ist wichtiger als persönliche Eitelkeit.
Zuweilen kommt es aber vor, dass Behörden den Konflikt mit der Presse suchen, um sie anschließend maßregeln zu können. Das ist so, als ob ein Fußballschiedsrichter den Spieler foult und nach dessen Protest vom Platz stellt.
In heutigen Fall ist der Spieler der MT-Berichterstatter und der Schiedsrichter der Kreis Minden-Lübbecke. Der betreibt beim Thema Flüchtlinge eine, vornehm ausgedrückt, zurückhaltende Informationspolitik. So sind Presseberichte aus Notunterkünften in der Regel unerwünscht. Überraschend erfolgte nun die Zustimmung, Schüler der Mindener Kurt-Tucholsky-Gesamtschule ins Veltheimer Kraftwerk zu begleiten. Die Jugendlichen wollten dort Flüchtlingskinder beschenken. Aufgeregter als die Kleinen waren allerdings die Mitarbeiter des Kreises, die darauf achteten, dass bloß keine Fotos von einzelnen Flüchtlingen gemacht werden. Allenfalls ein Gruppenfoto mit Schülern und Flüchtlingen sei erlaubt, hieß die Direktive.
Als dann jedoch ein Dolmetscher (im Beisein der stellvertretenden Kreis-Pressesprecherin) dem Berichterstatter mitteilte , dass sich alle anwesenden Flüchtlinge gerne fotografieren ließen, machte unsereiner ein paar Aufnahmen von der Übergabe der Geschenke an die Kinder. Allemal ein besseres Motiv als das obligatorische Gruppenfoto. Kreis-Mitarbeiter gerieten jedoch in Aufruhr, als sie sahen, dass der MT-Mann auch noch mit den Flüchtlingen „Interviews“ führte (in Wirklichkeit notierte ich nur die Namen). Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes kündigte unmissverständlich meinen Rausschmiss an, wenn ich die Anweisungen nicht befolge, der Kreis habe schließlich Hausrecht. Platzverweis – das wäre eine schöne Bescherung gewesen.
Den Weihnachtsfrieden wollte ich nicht stören. Nach dem Gruppenfoto folgten Gespräche mit Schülern, Lehrern, Dolmetschern und sogar Leuten vom Kreis samt Pressesprecherin, die mir sagte, welchen Schwerpunkt in meinem Artikel sie sich wünsche. Die Kreisleute sind eigentlich ganz in Ordnung, dachte ich. Vielleicht sollte man ihnen und ihrem Behördenchef sogar etwas zu Weihnachten schenken. Zum Beispiel diesen Satz: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ (Grundgesetz, Artikel 5, Absatz 1)
Von Dirk Haunhorst, Lokalredaktion