Was nützt die schönste (gedruckte) Zeitung, wenn sie nicht morgens früh im Briefkasten des Abonnenten steckt? Die Zustellerinnen und Zusteller sind ein wichtiges und vor allem in ihrer Zuverlässigkeit unverzichtbares Glied in der Kette von der redaktionellen Informationsverarbeitung bis zu den Leserinnen und Lesern. Entsprechend aufwändig ist die Organisation der Zustellung (Verlagsjargon: Vertrieb), in die längst – wie in alle anderen Verlagsabteilungen – digitale Hochtechnologie eingezogen ist. Am Ende der Kette aber steht immer ein Mensch, jemand, der in aller Herrgottsfrühe aufstehen muss und bei Wind und Wetter, auch bei Regen, Schnee und Sturm, für die pünktliche, möglichst unversehrte Auslieferung des gedruckten Zeitungsexemplars sorgen muss.
Jutta Prins ist eine aus der mehr als 300 Mitglieder umfassende Zustellerschar des Mindener Tageblatt. MT-Redakteur Dirk Haunhorst hat sie und ihren Job in der heutigen Ausgabe (MT Nr. 55 vom 6.3.2015) vorgestellt – auch vor dem Hintergrund, dass es für Zeitungsverlage immer schwerer wird, geeignete Zusteller zu finden. Hier sein Bericht:
Porta Westfalica (mt). Im Winter hält sich das Vergnügen in Grenzen, aber im Sommer macht es Spaß, Zeitungen auszutragen, sagt Jutta Prins. „Dann ist es hell, meistens warm und die Vögel singen.“ So könnte der Tag eigentlich immer beginnen.
Die Holtruperin steht gegen 3 Uhr auf, fährt dann zur Ablagestelle im Gewerbegebiet, packt 160 Zeitungen und oft noch weitere Druckerzeugnisse ins Auto und macht sich an die Arbeit. 22 Kilometer legt die 51-Jährige in aller Herrgottsfrühe in ihren beiden Zustellbezirken zurück. Dafür benötigt sie ungefähr zwei Stunden. Dann wird gefrühstückt – mit dem guten Gefühl, bereits etwas geschafft zu haben, wenn andere sich noch in den Betten rekeln.
MT-Vertriebsleiter Oliver Geissler weiß zuverlässige Kräfte wie Jutta Prins zu schätzen. „Es wird immer schwieriger, Zusteller zu finden“, sagt er. Seit einem halben Jahr tauchen vermehrt Probleme in einigen Bereichen von Porta Westfalica auf, vor allem in Kleinenbremen, Hausberge und Vennebeck fehlen Zusteller. Insbesondere bei Krankheitswellen, aktuell verursacht durch die Grippe, kann es dann zu Verspätungen in der Zustellung kommen.
Die Zeiten, in denen einzelnen Bezirke gewissermaßen innerhalb der Familie vererbt wurden, sind lange vorbei, sagt Geissler. „Damals übernahmen oft die Kinder die Bezirke der Eltern, wenn diese nicht mehr wollten“.
Die jüngste Mindestlohn-Debatte rückte auch die Bezahlung der Zusteller in den Fokus. „Die Einhaltung des Mindestlohns ist selbstverständlich“, sagt der Vertriebschef, das gelte im Übrigen für alle gesetzlichen Standards wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub.
Überdies sind die einzelnen Zustellbezirke kategorisiert, damit die Vergleichbarkeit gewährleistet ist. Gleichwohl lassen sich individuelle Unterschiede nicht wegdiskutieren. Geissler: „Wer bei der Zustellung besonders zügig ist, kommt nun einmal auf einen höheren Stundenlohn als derjenige, der es etwas langsamer angehen lässt.“.
Der Stundenlohn von Jutta Prins beträgt mehr als neun Euro. Das sei in Ordnung, sagt sie. Vor zehn Jahren kam sie über eine Zeitungsannonce an den Job, damals arbeitete sie noch im Holtruper Jägerkrug und wollte sich etwas dazu verdienen. Die Gastwirtschaft ist längst geschlossen, Jutta Prins blieb der Zustelleraufgabe treu. „Party machen am Freitag geht natürlich nicht, wenn man Samstag früh raus muss“, sagt sie. Der Bekanntenkreis habe sich längst darauf eingestellt und Treffen auf die Samstagabende gelegt.
„Zusteller haben eine Sechstagewoche. Daran führt kein Weg vorbei“, sagt Marita Meinsen. Die stellvertretende Vertriebsleiterin hebt die große Bedeutung der Zusteller im komplexen Räderwerk der Zeitungsherstellung hervor. „Unsere Zusteller sind ein wichtiges Bindeglied zu unseren Lesern und sorgen dafür, dass die Zeitung in der Regel pünktlich geliefert wird und trocken im Kasten steckt.“
Dazu versorgt der Vertrieb die Zusteller mit geeigneten (Fahrrad-)Taschen und Trolleys. Auch Lampen zählen zur Ausrüstung. Und wenn nach vielen Kilometern das Fahrrad repariert werden muss, gewährt der Arbeitgeber einen Zuschuss.
Wer Zeitungen austrägt, muss hellwach sein. Kein Morgen gleicht dem anderen, dafür sorgen auch die unterschiedlichen Abonnementvarianten, von denen viele Leser heute Gebrauch machen. Jutta Prins bereitet das keine Probleme, sie betrachtet die Zustellung ohnehin als sportliche Herausforderung. „Ich laufe jeden Morgen einige Treppen rauf und runter. Das Fitnessstudio kann ich mir sparen.“ Und wer dabei Wind und Wetter trotzt, lässt Eitelkeiten beiseite. „Die Fönfrisur“, sagt Jutta Prins mit einem Lachen, „die habe ich längst abgeschafft.“
Information:
In Porta Westfalica gibt es ungefähr 70 Bezirke, die von 50 MT-Zustellern versorgt werden. Das Pensum ist demzufolge unterschiedlich. Manche Zusteller haben einen Bezirk, manche betreuen zwei Bereiche, andere sind als Springer im Einsatz.
Entsprechende Unterschiede gibt es auch bei den Verdienstmöglichkeiten, die im Mini-Job-Bereich bei monatlich 250 bis 450 Euro beginnen. Darüber hinaus sind auch Teil- und Vollzeitbeschäftigung möglich.
Wer Näheres über Aufgabe und Entlohnung von Zustellern erfahren möchte, ist bei Olga Giesbrecht, Telefon (0571) 882-192, E-Mail vertrieb@mt.de, an der richtigen Adresse.