„Du hast die Haare schön“, dieser Billigschlager Text von Tim Toupet ist der Ursprung des Sportfan-Liedes „Ihr könnt nach Hause fahrn“. „Du hast die Haare schön“, könnte man eigentlich zum Lied der Simeonstraße plus näherer Umgebung erklären. Denn dort sind auf etwa 200 Meter Länge zwei, biegt man um die Ecke zum Kaack noch eins und in der unteren Etage des Obermarktzentrums ein weiteres Friseurgeschäft. Und in der Obermarktstraße kann man Friseurwarenbedarf decken.
Rechnet man noch die zwei Coiffeurläden hinzu, die es an der Königstraße und am Kaack noch vor ein paar Jahren gab, könnte man fast schon von einem Schönheitszentrum sprechen.
Doch das würde missverstanden, wenn man den Begriff nämlich auf die Simeonstraße als solche bezieht. Zum Beispiel auf das nostalgisch-graue Pflaster mit den breit ausgewaschenen Zwischenräumen. Jede Stöckelschuhläuferin, jeder Rollstuhl- und Radfahrer, jeder Rollatoren- und Kinderwagenschieber lebt hier gefährlich.
Schön ist die Leerstandquote – schön hoch jedenfalls. Man mag sie an anderer Stelle der Stadt noch verneinen und als „Fluktuation im normalen Rahmen“ erklären. In der Simeonstraße würde das Lügen gestraft. Mehr als zehn ehemalige Läden ohne Nutzer auf knapp 200 Meter, die damit eine hochschulenahe Spielwiese für angehende Altbau-Architekten und Stadtplaner bilden.
Ab und zu passiert hier mal etwas, wagt sich ein neuer Gastwirt heraus oder jemand mit einem schmucken Antiquitätengeschäft. Aber dagegen stehen abgesperrte Brandruinen, bröckelnde Fassaden, staubblinde ehemalige Schaufenster. Niemanden scheint das zu interessieren.
Wer die Straße hinaufgeht und sie noch aus früheren (sogar vorbritischen) Zeiten kennt weiß, warum hier Friseure sich gern niederlassen. Nicht, weil sie über ihre Kunst an den Kundinnen und Kunden ein wenig Schönheit in die Tristesse bringen wollen. Nein, sie wissen: Weil dieser Zugang zu einer „Stadt voller Leben“ (Minden-Werbung) zum Haareraufen ist.
In diesem Sinne: ein schönes Wochenende!
Hartmut Nolte, Lokalredaktion