Von Sophie Mono
Es gibt Sachen, die verstehe ich nicht. Ein Bekannter von mir ist Sportfanatiker. Ein richtiger „Fußball-Irrer“. Das sagt er zumindest von sich selbst. Einen Satz wie „das macht doch nichts, das ist doch nur ein Spiel“ kann er nicht ausstehen. Vor allem nicht von Leuten wie mir. Leuten, die kein Interesse dafür aufbringen, wer im Sport gewinnt und erst recht keine Emotionen.
Nein, ich bin nicht abgestumpft oder gleichgültig. Ich kann hoffen, trauern, verzweifeln und manchmal auch vor Wut ausrasten. Im wahren Leben. Aber nicht, wenn ich mir Sport anschaue. Mein fußball-irrer Bekannter dagegen kann weinen, wenn Schalke verliert und ist halb tot, wenn er vor dem Fernseher sitzt und es Elfmeterschießen gibt.
Das ist nicht meine Beurteilung, das ist seine Aussage, in der nicht selten auch Stolz mitschwingt. Und der an mich gewandte Satz „aber du verstehst das ja nicht, du hast ja nichts mit Sport am Hut.“
Als die deutschen Fußball-Frauen am Samstag überraschend aus der WM ausgeschieden sind und die Enttäuschung, Wut und Trauer im Wolfsburger Stadion sicherlich greifbar gewesen sein müssen, da sagte er, er wäre nun gerne vor Ort. Nach einem (natürlich verständnislosen) Blick meinerseits kam die Erklärung: „Na, wegen der Fotos.“
Ach ja, wie konnte ich das vergessen? Mein Bekannter ist nämlich nicht nur selbsternannter Fußball-Irrer, er ist auch Sportfotograf. Wie es sich für einen richtigen Sportfanatiker gehört, fiebert er immer mit, auch, wenn er die Kamera in der Hand hat. Komisch ist nur, dass ihm dann plötzlich gar nicht mehr so wichtig ist, wer da weint oder flucht, trauert oder zittert. Die Hauptsache ist dann, dass er oder sie es vor der Linse seiner Kamera tut.
„Wie kannst du denn deinen Fanatismus in solchen Momenten abschalten“, frage ich ihn. „Naja, Fotografieren ist halt mein Beruf“, antwortet er. „Und Fußball ist eben doch nur ein Spiel“, denke ich mir – unwissend.