Lassen sich Journalisten von Terroristen instrumentalisieren, wenn sie Gewaltfotos oder -Videos einer „Hinrichtung“ veröffentlichen? Wo liegen die presseethischen Grenzen der Informationspflicht? Diese Frage haben sich Redaktionen immer wieder zu stellen, die mutmaßliche Enthauptung des US-Journalisten James Foley durch die IS-Terrormiliz hat sie ein weiteres Mal auf die Tagesordnung gerückt.
Richtlinie für den Umgang mit „Schockbildern“ ist auch für die MT-Redaktion immer wieder der Pressekodex des Deutschen Presserates. Lutz Tillmanns, Geschäftsführer dieser Institution, hat gestern in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur DPA die Medien zu einem respektvollen Umgang mit Bildern zur mutmaßlichen Enthauptung im Fall Foley aufgerufen. Sie sollten zurückhaltend mit der Veröffentlichung von Fotos der Hinrichtung umgehen und sich nicht als Propagandainstrument der Terroristen missbrauchen lassen, so Tillmanns
Zwar sei eine Veröffentlichung von Bildern Foleys etwa kurz vor seiner Ermordung aus Informationsgründen und angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Ereignis der Zeitgeschichte handele, denkbar. Doch sollte das Opfer dabei auf jeden Fall unkenntlich gemacht werden. „Wer Bilder veröffentlicht, auf denen der Journalist erkennbar wird, macht sich ethisch angreifbar“, sagte Tillmanns laut dem auf der Webseite des Presserats wiedergegeben Bericht über das DPA-Gespräch.
Weiter heißt es hier: Auch wenn im Internet bereits grausame Bilder von der Hinrichtung im Umlauf seien – jede Redaktion müsse sich selber die Frage stellen, wie sie mit solchen Fotos konkret umgehen wolle. Der Presserat habe als Selbstkontrollorgan der Zeitungen und Zeitschriften sowie journalistischen Online-Portale einschlägige Richtlinien. So müsse stets das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen abgewogen werden. „Die Würde Foleys steht hier im Mittelpunkt“, sagte Tillmanns der Agentur.
Journalisten können sich bei der Abwägung, welche Fotos sie veröffentlichen, vor allem an den Ziffern 1 (Menschenwürde), 8 (Schutz der Persönlichkeit) und 11 (Sensationsberichterstattung) des Pressekodex orientieren. Auch frühere Entscheidungen des Presserats können als Grundlage dienen. So hatte der Presserat im Fall eines getöteten US-Bürgers im 2004 Irak Fotos gerügt, auf denen zu sehen war, wie einer der Mörder den abgetrennten Kopf in der Hand hielt. Dieses Foto war unangemessen sensationell. Auch zur Berichterstattung über die Entführung von Susanne Osthoff im Irak 2005 gingen diverse Beschwerden ein. Die Fotoveröffentlichungen, die die Entführte zeigten, hielt der Presserat damals jedoch für vereinbar mit dem Kodex.
Die MT-Redaktion hat die Frage der Bebilderung des entsprechenden Artikels in der gedruckten Zeitung in Übereinstimmung mit den Richtlinien entschieden und diese Entscheidung mit einem Zusatztext über die Presserats-Empfehlung auch transparent gemacht. Die Online-Ausgabe MT.de hat von einer Verlinkung oder gar Veröffentlichung des Videos aus den genannten Gründen abgesehen.
Quellen: Presserat, DPA, MT-Redaktion