Schwimmbrille schützt und Löffel entspannt / Der Kampf mit dem zähen Käse
„Französische Zwiebelsuppe“ war Anfang der 70er Jahre in unserer Familie die Standard-Vorspeise zu festlichen Anlässen (vor allem mit Gästen). Wir liebten sie – allerdings nicht nur wegen der Zwiebeln …
Rezept-Zettelsammlungen und Rezeptbücher: Zu Zeiten, als es weder das Internet noch Kochshows im Fernsehen gab, waren sie Überlebenshilfe der Hausfrau. Das Flaggschiff der Armada von Kochbüchern für jede Lebenslage bei uns hieß „Menü – Das große moderne Kochlexikon in zehn Bänden“. Im Band 3 (Eis bis Gef) findet sich die Suppe komplett mit besonderem Tipp: „Halten Sie zur besseren Bekömmlichkeit einen Cognac oder Kirschwasser bereit“. Die Autoren werden an den Cognac NACH der Suppe gedacht haben. Eigentlich aber brauchte die Köchin den schon BEIM Kochen.
Und das nicht etwa, weil das Rezept so kompliziert wäre – das bei Weitem Schwierigste ist, die heißen Suppentassen vom Backofen an den Esstisch zu transportieren. Nein, Cognac, Wein, oder auch gerne Wasser sind nötig, damit beim Zubereiten der würzigen Vorspeise keine Tränen kullern.
Mit einem Schluck Wasser im Mund lassen sich nämlich die beißenden Dämpfe der Lauchpflanze beim Schneiden austricksen – noch besser als mit dem verbreiteten Rat, einen Löffel in den Mund zu nehmen. Ein scharfes Messer, mit dem das Gemüse nicht gedrückt, sondern geschnitten wird, hilft ebenfalls, außerdem reizen kalte Zwiebeln beim Schneiden weniger als bei Zimmertemperatur gelagerte.
Und da wir gerade bei „Nicht-Heul“-Vorschlägen sind: Eine Schwimmbrille auf den Augen soll auch helfen, ebenso wie Kontaktlinsenträger auch nicht heulen müssen. Übrigens streiten sich in Koch-Foren die Anhänger der „Löffelchen-Methode“ mit den „Schwimmbrillenfreaks“, was besser hilft, und beide Fraktionen haben wissenschaftliche Erklärungen dafür, warum die jeweils andere Methode absoluter Blödsinn ist.
Da kann man wohl nur selbst mal alles ausprobieren. Sicher nützt es, unter der Dunstabzugshaube zu schneiden – die hatten wir Anfang der 70er Jahre allerdings noch nicht.
Dafür hatten wir ofenfeste und relativ große Suppentassen. Die waren der Grund dafür, dass wir Kinder das Gericht so mochten. Denn es wurde nach dem Kochen im Ofen überbacken: Eine Scheibe Weißbrot und Käse obendrauf (ich habe den Verdacht, dass das nicht der vorgesehene französische Hartkäse war), und wenn der zerlaufen war, wurde serviert.
So kam die Tasse mit einer dicken zusammenhängenden Kruste auf den Tisch. Das war zwar lecker (eingeweichtes Brot, zerlaufener Käse – hmmm), stellte die Gäste aber auch vor Probleme. Denn das Ganze ließ sich kaum elegant essen. Entweder drückte der Esslöffel das Brot an einer Seite tief und ließ Suppe an der anderen Seite überschwappen, oder der Käse bildete eine lange zähe Masse beim Weg von der Tasse zum Mund. Das Ganze war heiß, die Tasse konnte man kaum anfassen. Und so hatten wir unseren heimlichen Spaß an den Mühen der Besucher: Erlebnis-Essen.
Trotzdem war die Französische Zwiebelsuppe der Renner. Auch ohne Cognac zum Verdauen …
P. S.: Inzwischen bereite ich sie übrigens mit Weißbrotwürfeln statt mit einer festen Scheibe Brot obendrauf zu. Das sorgt für Entspannung am Esstisch.
Zwiebelsuppe
Zutaten für vier Personen: 300 Gramm Zwiebeln, zwei Knoblauchzehen, vier Esslöffel Öl, 20 Gramm Mehl, 1 ¼ Liter heiße Fleischbrühe, Salz, Schwarzer Pfeffer, vier dünne Scheiben Weißbrot, 100 Gramm geriebener französischer Hartkäse.
Zutaten für vier Personen: 300 Gramm Zwiebeln, zwei Knoblauchzehen, vier Esslöffel Öl, 20 Gramm Mehl, 1 ¼ Liter heiße Fleischbrühe, Salz, Schwarzer Pfeffer, vier dünne Scheiben Weißbrot, 100 Gramm geriebener französischer Hartkäse.
Zwiebeln in Ringe schneiden, Knoblauchzehen würfeln, mit Fett im Topf hellgelb rösten. Mit Mehl bestäuben und unter Rühren fünf Minuten durchschwitzen lassen. Mit der heißen Fleischbrühe auffüllen. 20 Minuten kochen lassen, mit Salz und Pfeffer kräftig abschmecken (nicht original, aber lecker: einen Schuss Sherry dazu).
Weißbrotscheiben entrinden und kräftig toasten und würfeln. Suppe in feuerfeste Tassen geben. Weißbrotwürfel drauf, mit Käse bestreuen. Etwa acht Minuten bei rund 220 Grad gratinieren und dann sofort servieren.