Zahl der entführten Medienschaffenden 2010 deutlich gestiegen
Auch im Jahr 2010 haben zahlreiche Reporter ihre journalistische Tätigkeit mit dem Leben bezahlt. Das ist das Ergebnis der am 30. Dezember 2010 veröffentlichten Jahresbilanz von Reporter ohne Grenzen (ROG). Demnach sind mindestens 57 Journalisten und ein Medienassistent während ihrer Arbeit oder wegen ihres Berufs getötet worden.
Zwar sind das laut ROG 19 Medienmitarbeiter weniger als im Vorjahr (2009: 76 Journalisten, ein Medienassistent), gleichzeitig stieg die Zahl der Länder, in denen Medienmitarbeiter ermordet wurden, aber im Vergleich zu 2009 von 20 auf 25. Maßgeblich für den Rückgang an getöteten Journalisten ist nach Angaben der Menschenrechtsorganisation jedoch, dass es 2010 kein vergleichbares „Massaker an Medienmitarbeitern wie im November 2009 auf den Philippinen“ gab. Damals verloren 32 Journalisten an einem Tag ihr Leben.
Auf dieser Weltkarte verzeichnet "Reporter ohne Grenzen" die im Jahr 2010 getöteten Journalisten. Grafik: Reporter ohne Grenzen
Leicht rückläufig sei auch die Zahl körperlicher Angriffe auf Journalisten, die Anzahl festgenommener Medienschaffender sowie die Masse an zensierten Medien. Laut ROG sind im vergangenen Jahr 535 Journalisten festgenommen worden (2009: 573), 1.374 erlitten Gewalt oder wurden bedroht (2009: 1.456), 504 Medien wurden zensiert (2009: 570) und 62 Staaten waren von Internetzensur betroffen (2009: 60). Zugenommen habe hingegen die Zahl an Entführungen (2010: 51, 2009: 33).
Pakistan und Mexiko besonders gefährlich
Die gefährlichsten Länder für Journalisten seien 2010 Pakistan (elf Todesfälle), Mexiko (sieben), Irak (sieben) und die Philippinen mit vier Todesfällen gewesen. In Pakistan werden Reporter vor allem von islamistischen Gruppen ins Visier genommen. In Mexiko geht die Gefahr für kritische Journalisten überwiegend von Drogenkartellen aus. Im Irak wurden Journalisten Opfer von Bombenattentaten. Zahlreiche politisch motivierte Morde hat es laut ROG auch auf den Philippinen geben. Vor allem private Milizen Clanchefs und lokale Politiker seien dort die Auftraggeber. Die Täter fürchteten die unabhängige oder kritische Berichterstattung über kriminelle Machenschaften oder Korruption.
Die Zahl der körperlichen Übergriffe und Drohungen gegen Journalisten in Europa und der GUS-Region hat sich im Unterschied zu anderen Weltregionen deutlich erhöht. Einen Anstieg der Gewalt gegen Medienmitarbeiter verzeichnete ROG unter anderem in Ländern mit landesweiten Wahlen wie Aserbaidschan, der Ukraine und Belarus (Weißrussland). In Belarus sind zudem weiterhin zehn Journalisten inhaftiert. Sie wurden nach der Präsidentschaftswahl am 19. Dezember 2010 in Minsk festgenommen. Die meisten Journalisten sind derzeit in Iran hinter Gittern (37), gefolgt von China (30) und Eritrea (29).
„Direkter Angriff auf die Gesellschaft“
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch der Weltverband der Zeitungen und Nachrichtenmedien (WAN-IFRA), nach dessen Angaben jeweils zehn Medienschaffende in Pakistan und Mexiko ihr Leben verloren haben. Als besonders gefährliche Region weist WAN-IFRA zudem Honduras aus. Die meisten der bedrohten und verfolgten Journalisten hätten über organisierte Kriminalität, Drogenhandel und Landstreitigkeiten berichtet. Journalisten seien auch Opfer der von Gewalt geprägten politischen Polarisierung zwischen den Gegnern des Militärputsches vom Juni 2009 und dessen Befürwortern geworden. „Die Ermordung von Journalisten ist die ultimative Form der Zensur und ein direkter Angriff auf die Gesellschaft als solche. Doch viel zu oft entgehen diejenigen, die diese Verbrechen begehen, der strafrechtlichen Verfolgung“, erklärte Christoph Riess, CEO des internationalen Presseverbandes WAN-IFRA. „Diese Morde“, so Riess, „sollten konsequent verfolgt und die Verantwortlichen zur Rechen-schaft gezogen werden. Journalisten müssen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ohne Furcht vor Gewalt ausüben können.“
Homepage: www.reporter-ohne-grenzen.de