Überall ist Hochkonjunktur, nur nicht bei den Zeitungen. Entsprechend schwierig sind die derzeit laufenden Tarifverhandlungen für die 14 000 Redakteure. Die vorerst letzte, vierte Runde wurde in der vergangenen Woche noch vor Beginn abgebrochen, weil die Gewerkschaften vor dem Verhandlungslokal einen Bilderteppich mit Journalistenfotos ausgebreitet hatten, über den die Verleger nicht laufen wollten: „Wir trampeln nicht auf Journalisten herum“.
Die Zeitungen haben nach wie vor ein Problem, und das heißt Internet. Dorthin ist ein Großteil der Anzeigen abge- wandert – 40 Prozent in zehn Jahren haben die Blätter verloren, sagen die Verle- ger. Und viele Abonnenten sind ebenfalls weg. Nicht nur wegen der Angebote im Internet, sondern auch wegen der demografischen und kulturellen Entwicklung. Rechnet man alle Auflagenverluste zusammen, verschwindet jedes Jahr eine mittelgroße Zeitung vom Markt. Seit 1992 haben die regionalen und lokalen Abonnementszeitungen rund 30 Prozent ihrer Auflage verloren, dieser Trend wird sich nach Voraussagen aller Experten in den kommenden Jahren fortsetzen.
Die Jungen informieren sich im Netz. Dort sind die Zeitungen zwar auch vertreten, aber meist sind ihre Artikel dort (noch?) gratis. Die große Hoffnung der Branche sind jetzt kostenpflichtige digitale Angebote – etwa die Zeitung auf dem iPad. Für die meisten Blätter ist das allerdings Zukunftsmusik. Bei ihnen sinken die Auflagen kontinuierlich und im Internet wird nach wie vor kaum etwas verdient.
Deshalb wollen die Verleger die Bezüge der derzeit Beschäftigten durch Einschränkungen bei der tariflichen Jahresleistungen und dem Urlaubsgeld sowie der zusätzlichen Altersversorgung für Redakteure um ein Gesamtvolumen von rund fünf Prozent kürzen. Für künftige Journalisten sollnach ihren Vorstellungen zudem ein neues Tarifwerk gelten, bei dem die Leistungen um insgesamt 15 Prozent unterhalb des derzeitigen Niveaus liegen würden: 2,5 Prozent weniger bei der zusätzlichen Altersvorsorge, 5 Prozent beim Manteltarif und 7,5 Prozent beim Gehaltstarifvertrag. Das sei angesichts der Probleme noch zurückhaltend, sagt Werner Hundhausen, der Verhandlungsführer für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV).
Die Arbeitnehmerseite dagegen verlangt vier Prozent plus. „Wir haben hier keine amerikanischen Verhältnisse“, sagt Hendrik Zörner, der Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), und spielt damit auf das Zeitungssterben in den USA an. „Bei allem Gejammer der Verleger darf man nicht vergessen, dass sie selbst im Krisenjahr 2009 noch schwarze Zahlen eingefahren haben.“
Die Zeitungen drohten durch den „Kahlschlag“ in einen Teufelskreis zu geraten, meint Zörner. Denn das beste Argument dafür, sich nicht gratis im Internet zu informieren, sondern Geld für eine Zeitung auszugeben, sei ja gerade, dass man dort Qualitätsjournalismus bekomme. Die dafür nötigen Profis aber kosteten nun einmal Geld. Schon jetzt verdienten Redakteure im Durchschnitt weniger als Ingenieure. Bei weiteren Kürzungen werde der Journalistenberuf für gute junge Leute unattraktiv.
Die Gewerkschaften sagen auch: In fast allen Redaktionen ist die Zahl der Stellen drastisch zusammengestrichen worden. Viel weniger Leute müssen die gleiche Arbeit machen. Nein, sogar mehr Arbeit: Früher waren sie nur mit dem Notizblock unterwegs, heute haben sie auch Fotoapparat und Filmkamera für Webfilme dabei. Kaum eine Branche hat sich in kurzer Zeit so verändert, und die Journalisten haben das alles mitgetragen. Sollen ihnen nun zum Dank die Gehälter gekürzt werden?
Hundhausen sagt dazu: „Wenn die Dinge nicht so gelöst worden wären, dann wäre das Risiko eines erweiterten Arbeitsplatzabbaus noch größer geworden.“ Er würde auch lieber Geld verteilen, um die Redakteure zu belohnen, sagt er. „Aber leider ist die Marktsituation eine andere.“
Autor: Christoph Driessen, DPA