Abseits ist ja so etwas wie der heilige Gral des deutschen Fußballfreunds und das Salz in der Suppe jedes Rudelguckens. An ihm lässt sich ganz vorzüglich die Fußballtauglichkeit von Ehefrauen, Freundinnen, Schwestern und Müttern messen. Der Satz „Schatz, das ist doch ganz einfach, … „, dürfte der zweithäufigste in diesem Zusammenhang sein und dem Spitzenreiter („Ey, Schiri, das war ganz klar kein Abseits, hast du Tomaten auf den Augen“) dichtauf folgen. Und weil ohne Abseits-Diskussionen Fußballabende ziemlich öde wären, bin ich ziemlich sicher: Gäbe es die Abseits-Regel nicht, gäbe es eine andere, ähnliche, die den gleichen Zweck erfüllt. Fans brauchen etwas zum Fachsimpeln, zum Aufregen, Streiten und Diskutieren.
Allerdings kenne ich kaum einen der selbsternannten Fußballexperten, die Abseits wirklich gut erklären können. Meine Freundin Simone und ihr Mann Martin haben das neulich beim Grillabend hingegen rein zufällig wunderbar geschafft. Und das kam so.
„Da war doch diese Sonderverkaufsaktion in der Kleiderfabrik“, erzählte Simone, während Martin die Augen verdrehte und wir anderen die Ohren spitzten. Simone ist definitiv die beste Schnäppchenjägerin Ostwestfalens, und man kann eine Menge von ihr lernen. „Ich wollte unbedingt dieses Sommerkleid mit dem Streublümchenmuster. Gerade, als ich die Verkäuferin fragte, ob es das auch noch in meiner Größe gibt, tauchte neben mir diese Zicke auf, die dasselbe Kleid in derselben Größe wollte. Pech: Die hatten das nur noch einmal da!“
Wir murmelten anteilnehmend. Konkurrentinnen bei der Schnäppchenjagd haben gegen Simone bekanntlich keine Chance. Andererseits… wer weiß? Simone erzählte weiter.
„Die Verkäuferin ging nach hinten, um das Kleid zu holen. Die Zicke stellte sich sofort an die Kasse an und lauerte. Ich stinksauer gleich dahinter. Dann: Ein Hoffnungsschimmer.“ Simone blickte vielsagend in die Runde.
„Stellt Euch vor, die Zicke fing an, in ihrer Tasche nach der Geldbörse zu suchen. Mir wurde heiß: Ich hatte auch kein Geld! Meine Handtasche mit der Geldbörse hatte doch Tanja genommen, damit ich anprobieren konnte. Ich entdeckte sie an einem Wühltisch ein Stückchen weiter und winkte wie wild. Tanja setzte sich in meine Richtung in Bewegung. Plötzlich stand die Verkäuferin an der Kasse und brüllte „Wer wollte jetzt nochmal dieses Kleid?““
Simone – Expertin für Kunstpausen – steckte sich ein Stück Brot in den Mund und kaute genüsslich. „Also, die Kasse ist das Ziel, die Zicke steht immer noch vor mir, hat aber kein Geld. Tanja nähert sich flott von hinten. Ich schere seitlich aus, überhole die Zicke und bin kurz vor der Kasse, Tanja wirft mir die Geldbörse zu und … ich bekomme das Kleid.“ Triumphierend hob Susanne ihr Weinglas. Wir prosteten ihr anerkennend zu.
Bis auf Martin. Der sah seine Frau mit gespielter Strenge an. „Hast du deine Geldbörse erst gefangen, als du schon an der anderen Frau vorbei warst?“ Susanne nickte. „Das Kleid hätten die dir nie verkaufen dürfen.“ Wir Frauen sahen uns ratlos an. Martin, grinsend: „Das war Abseits.“