Warum ich bis heute um Erdbeeren aus der Dose einen sehr großen Bogen mache / Bowle hat es nicht zum Lieblingsgetränk geschafft
Ich muss fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, als ich mit dem überaus beliebten Partygetränk der 60er und frühen 70er Jahre, der Bowle, „Bekanntschaft“ machte.
Schon die Vorbereitungen für dieses Gemisch erweckte meine volle Aufmerksamkeit. So wurde ein großes, rundes Gefäß, eine Suppenkelle und sechs Tassen – von denen ich später erfuhr, dass es sich um Gläser handelt – auf den Tisch gestellt. Und da so eine Bowle nicht jeden Tag auf den Tisch kam, wurde alles – von Hand versteht sich – mit größter Vorsicht gespült.
Danach begab sich mein Vater in den Keller. Obschon ich die dunklen Räume, in denen auch schon mal die ein oder andere Spinne lauerte, eigentlich hasste, begleitete ich dieses Mal meinen Vater. Aus einem Regal wählte er zwei Flaschen Weißwein, den er einige Wochen zuvor an der Mosel gekauft hatte, sowie zwei Flaschen Sekt aus.
Wieder in der Wohnung angekommen, wurde die Bowle sodann „angesetzt“, wie mein Vater mir erklärte. Dazu öffnete er zwei Dosen Erdbeeren, diese durch ein Sieb schüttete und nur die Früchte in das Gefäß füllte. Dosenobst erfreute sich zu dieser Zeit in unserer Familie großer Beliebtheit. So gab es nicht selten zum Nachtisch Ananas, Pfirsiche oder eine bunte Obstmischung aus der Dose. Über die Erdbeeren goss mein Vater einen ordentlichen Schuss aus einer geheimnisvollen, dickbäuchigen Flasche, die er aus der hintersten Ecke des Schranks hervorholte. Dass es sich dabei um Cognac handelte, erfuhr ich erst sehr viel später. Schließlich kam alles zur Kühlung in den Flur.
Erst kurz bevor die Gäste kamen, öffnete er die beiden Flaschen Wein sowie den Sekt und schüttete sie ebenfalls in den Bowlentopf. Nun konnte die Party steigen.
Zu den Tassen – ich meine natürlich Gläser – hatten sich inzwischen kleine Gabeln aus Plastik gesellt, an denen bunte Figürchen, wie ein Schornsteinfeger, ein Hufeisen und ein Glücksschwein, hingen. Mir war es natürlich strengstens untersagt, von dem Getränk zu nippen, was ich auch nicht tat. Ich verstand jedoch nicht, warum nahezu alle Erwachsenen den leckeren „Nachtisch“ – sprich die Erdbeeren – verschmähten. Und so kam, was kommen musste…
Lustige Gäbelchen für die Früchte
Heimlich stibitzte ich mit den lustigen Gäbelchen einzelne Früchte. Das machte Spaß. Zwar schmeckten die Erdbeeren ein wenig anders als sonst, aber das hielt mich nicht davon ab, sie weiter zu futtern. Obschon mich niemand beobachtete – schließlich waren alle mit Feiern beschäftigt – war ich sehr schnell als „Dieb“ überführt.
Aus einem mir unerklärbaren Grund drehte sich plötzlich die Welt um mich herum gar fürchterlich und mir wurde speiübel. Es versteht sich von selbst, dass meine Eltern von ihrer beschwipsten Tochter nicht gerade begeistert waren, schimpften und mich ins Bett brachten, nicht ohne mir einen Eimer zur Seite zu stellen, den ich auch mehrfach in Anspruch nehmen musste.
Über viele Jahre habe ich nach dieser Party um Bowle einen großen Bogen gemacht und Erdbeeren aus der Dose sind mir bis heute suspekt. Anfang der 80er Jahre habe ich mir dann für meinen eigenen Haushalt einen Bowletopf – in Form einer Erdbeere – gekauft. In meiner Bowle landeten ausschließlich frische Erdbeeren. Zu meinem Lieblingsgetränk gehört Bowle jedoch bis heute nicht.
Von Ulrike Mißbach, Lokalredaktion
Erdbeerbowle für vier Personen:
• Ein Kilogramm frische Erdbeeren, 300 Gramm Zucker, 500 Milliliter Weinbrand, zwei Flaschen Sekt, eine Flasche Weißwein.
• Erdbeeren entstielen, putzen und halbieren.
• In ein Bowlegefäß geben, anschließend Zucker drüberstreuen und mit dem zugegebenen Weinbrand über Nacht ziehen lassen.
• Kurz vor dem Servieren den gekühlten Wein und Sekt drübergießen und einmal umrühren.