600 Teilnehmer beim Zeitungskongress in Berlin / Bundeskanzlerin und Bundesinnenminister als Gastredner bei Verlegern, Chefredakteuren und Verlagsmanagern
Der Transformations- prozess in der Zeitungsbranche ist noch längst nicht abgeschlossen. Dies erklärte der Präsident des BDZV, Helmut Heinen, am 19. September 2011 in Berlin vor rund 600 Teilnehmern – Verleger, Chefredakteure, Verlagsmanager – und in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Selbstbewusst stellten sich die Verlage den neuen Bedingungen im Medienmarkt und könnten zu den Gewinnern des digitalen Wandels gehören. „Nur der beste Journalismus ist unsere Zukunft“, so Heinen wörtlich. Dabei hob er hervor, dass die Verlage neben der gedruckten Zeitung mit fast 50 Millionen Lesern auch im Internet äußerst erfolgreich seien. 52 Prozent der Internetnutzer (20 Millionen) informierten sich regelmäßig auf den Websites der Zeitungen. Die größte Herausforderung bestehe darin, funktionierende Geschäftsmodelle im Internet zu finden.
Zu den Voraussetzungen für den digitalen Erfolg, so der BDZV-Präsident, gehörten auch faire Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang kritisierte er das Marktgebaren von Google und die Expansion der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Internet. Zugleich bekräftigte er die Forderung der Verleger für ein Leistungsschutzrecht für Presseunternehmen. Die Verlage warteten auf den Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin. „Wir wollen auf gleicher Augenhöhe mit denen verhandeln, die unsere Angebote zum eigenen Vorteil gewerblich nutzen. Auch wirtschaftlich erfolgreiche Medienunternehmen haben Anspruch auf Schutz ihres Eigentums.“
Hart ins Gericht ging Heinen mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Mit der Einführung der Haushaltsabgabe als „de-facto-Steuer“ könne das öffentlich-rechtliche System noch stärker mit Geld und einem Mammut-Apparat den Medienmarkt verzerren. Heinen machte deutlich, dass sich die Klage gegen die Tagesschau-App auf die Presseähnlichkeit des Produkts konzentriere. Dagegen sei die auf Videobeiträge konzentrierte Mediathek des ZDF ein Modell, den Konflikt zwischen Verlegern und Rundfunkanstalten zu lösen.
An die Bundeskanzlerin richtete Heinen den Appell, die Pressefusionskontrolle zu novellieren und damit Kooperationen und auch Fusionen von Presseunternehmen zu erleichtern. Es sei nicht einfach gewesen, innerhalb der Zeitungsbranche einen breit getragenen Kompromiss für eine neue Regelung zu finden. Die Vorschläge der Zeitungsverleger zeugten von großem Augenmaß. Denn den Verlagen liege die Zeitungsvielfalt ebenso am Herzen wie allen politischen Kräften in der Demokratie. Heinen stellte klar, dass eine Lockerung der Pressefusionskontrolle nicht mit der gesetzlichen Auflage verknüpft werden dürfe, unternehmerische und publizistische Verantwortung zu trennen.
Gegenüber der Bundesregierung mahnte Heinen an, das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit endlich zu verabschieden. Mit dieser Änderung des Straf- und Prozessrechts würde der Quellen- und Informantenschutz gestärkt und die investigative und kritische Berichterstattung gesichert. Es sei zu begrüßen, wenn sich Journalisten künftig nicht mehr der Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses strafbar machten, falls sie Material veröffentlichten, das ihnen vertraulich zugeleitet wurde. Positiv sei auch, dass eine Beschlagnahme nur noch bei einem dringenden Tatverdacht gegen den Journalisten möglich sei. Konsequent wäre es – so Heinen – wenn auch gesetzlich verankert werden könnte, dass Journalisten zu den Berufsgeheimnisträgern zählten, wie Geistliche, Anwälte und auch Abgeordnete.
Im Streit um die App hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ARD und ZDF zur genauen Prüfung ihrer digitalen Angebote aufgefordert. Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender den Spielraum der privaten Medien zu sehr mit ihrer Internet-Präsenz einschränkten, gerate das duale Rundunfunksystem ins Wanken, sagte Merkel.
„Private Medienunternehmen brauchen genügend Spielraum, ihre Investitionen müssen sich rechnen“, sagte die Kanzlerin auf dem Zeitungskongress. ARD und ZDF sollten deshalb prüfen, ob ihre Internet-Angebote auch ihrem gesetzlichen Auftrag entsprächen. „Das ist auch bei den Smartphone-Applikationen immer wieder abzuwägen.“
Merkel stellte zudem eine Reform des Urheberrechts in Aussicht, mit der die Online-Angebote der Zeitungen vor gewerblicher Nutzung etwa durch Suchmaschinen geschützt werden sollen.
Auch der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende und Erste Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz, sagte, Zeitungen seien für die Demokratie von „unverzichtbarer Bedeutung“. Daher müsse dafür gesorgt werden, dass sie von internationalen Großunternehmen wie Google nicht „plattgemacht“ würden. Hier herrsche noch ein „regulatorisches Defizit“.
Der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer, Mathias Döpfner, warnte die Verlage davor, eine „resignative Rolle einzunehmen“. Sie müssten ihr eigenes Geschäftsmodell im Netz jetzt aktiv gestalten. Die Suchmaschinenbetreiber hätten mit dem Zeitungsgeschäft „eigentlich nichts zu tun“, sagte Döpfner. Die Chancen lägen vielmehr bei mobilen Angeboten, den Apps. In diesen könne der „Kern unseres Geschäfts“ betrieben werden – ein klar begrenztes, von professionellen Journalisten zusammengestelltes Angebot, das auch seinen Preis habe. Diese Form des digitalen Zeitungsjournalismus sei „ein wunderbares Wachstumsmodell“.
Quelle: BDZV/dpa/epd