Christian Wulff bei den Mindener Mediengesprächen. Foto: Alex Lehn
Ehemaliger Bundespräsident will Kindern die Grundpfeiler der Demokratie näherbringen
Bei den Mindener Mediengesprächen präsentierte sich Christian Wulff als analytischer und zugleich unterhaltsamer Redner. Noch auf der Bühne gab er eine Zusage für einen erneuten Besuch in der Weserstadt. Angesprochen werden soll dann aber ein deutlich jüngeres Publikum. Es war ein denkwürdiger Moment, als Christian Wulff 2012 vor die Fernsehkameras trat und seinen Rücktritt als Bundespräsident verkündete. Die Vorwürfe der Käuflichkeit und der damit verbundene öffentliche Druck hatten ihren Tribut gefordert. Es ging nicht mehr.
Aber was macht Christian Wulff heute, mehr als ein Jahrzehnt nach diesem politischen Erdbeben? Er ist wieder aktiv, arbeitet als Redner und Gastdozent, wird regelmäßig zu verschiedenen Veranstaltungen und Konferenzen eingeladen, um Vorträge zu halten und die Erfahrungen aus seiner politischen Laufbahn zu veranschaulichen. So auch bei den Mindener Mediengesprächen Ende Januar. Annähernd 200 Zuhörer waren Ende Januar in das Audimax des Campus Minden der Hochschule Bielefeld (HSBI) gekommen, um den ehemaligen Bundespräsidenten zu erleben. Begrüßt wurde Wulff von Benjamin Piel, Chefredakteur des Mindener Tageblattes, sowie von Frank Mauritz, Direktor der Volkshochschule Minden/Bad Oeynhausen, und von Prof. Dr. Oliver Nister, Dekan des Fachbereichs Campus Minden. Wulff bedankte sich für die Einladung und hob hervor, dass er neben seinen repräsentativen Pflichten auf internationaler Ebene, die er für die Bundesrepublik Deutschland im Auftrag der Regierung bis heute wahrnimmt, besonders gern an Veranstaltungen in Schulen und Hochschulen teilnimmt, um den Dialog mit jungen Menschen zu suchen.
Inhaltlich schlug der 64-Jährige einen großen inhaltlichen Bogen von persönlich erlebten Geschehnissen über die Bedeutung der verfassungsmäßig garantierten Pressefreiheit bis hin zu den aktuellen Massendemonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.
„Ich bin froh über viele engagierte und wissbegierige Journalisten“, sagte Christian Wulff aller negativen Erfahrungen mit den Medien zum Trotz. Die Presse habe als – wenn auch ungeschriebene – vierte Gewalt die Aufgabe, den Staat und seine Institutionen zu kontrollieren. Ohne sie bliebe vieles unter dem Teppich. Nicht umsonst würden autoritäre Staaten zuerst die Pressefreiheit einschränken. Gleichzeitig aber komme der Presse die „höchste Anforderung“ zu, sich selbst zu kontrollieren. Und das komme oft zu kurz. Sein Bekenntnis für die freie Presse koppelte er an den Wunsch nach Qualitätsjournalismus.
Die Frage von Gastgeber Benjamin Piel, ob er seinen berühmten Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ heute wiederholen würde, beantwortete er mit einem klar „Ja“. „Das ist nötiger denn je, denn er beschreibt die Realität. Wir müssen erkennen, dass wir die Vielfalt brauchen“, so der Altbundespräsident, „wir sind eine bunte Republik und das Grundgesetz verbindet uns alle.“
An der Demokratie müsse aber immer auch gearbeitet werden, nichts sei automatisch von Dauer. Insbesondere die Jugend müsse sich klar werden, dass unser demokratisches System keine Selbstverständlichkeit sei, sondern vom Eintreten der Menschen für Demokratie lebe.
Zum Abschied hatte Wulff für die Zuhörerinnen und Zuhörern im Saal zwei Empfehlungen parat: „Schenken Sie Ihren jugendlichen Kindern und Enkelkindern zum nächsten Geburtstag ein Zeitungsabonnement und finanzieren Sie ihnen die Mitgliedschaft in einer demokratischen Partei, die sie sich selbst aussuchen dürfen.“ Noch auf der Bühne verabredeten sich die Protagonisten für ein erneutes Treffen in einem Jahr: „Dann komme ich gern wieder, wenn Sie alle mindestens einen jungen Menschen mitbringen“, versprach Wulff mit einem Fingerzeig auf das doch recht hohe Durchschnittsalter der Teilnehmenden.
Dass Wulffs Zusage für einen erneuten Besuch in Minden keineswegs scherzhaft gemeint war, zeigte sich wenig später. „Ich habe am nächsten Tag das Büro von Christian Wulff kontaktiert. Und so war relativ schnell ein Termin gefunden“, freut sich Benjamin Piel. Im Rahmen eines „Kinderuni Spezials“ wird sich der Ex-Bundespräsident am 28. Januar 2025 am Campus Minden den Fragen von Kindern und Jugendlichen stellen. Damit wird eine Brücke zu einem weiteren MT-Format geschlagen.
„Angesprochen werden soll die Altersklasse ab Sekundarstufe 1. Geplant ist außerdem, dass die Veranstaltung klassenweise von beispielsweise Geschichts- oder Politikkursen besucht wird“, erklärt Lisa Meier aus der MT-Vermarktung. Inhaltlich soll es um die Grundzüge der Demokratie gehen. Was zeichnet diese Gesellschaftsform aus? Wie funktioniert ein demokratisches Miteinander? Anders als bei den Mindener Mediengespräche könnte der Name „Christian Wulff“ bei dem deutlich jüngeren Publikum jedoch eher unbekannt sein. „Ich bin gespannt, wie Christian Wulff seine Botschaft senden wird, damit diese bei den Heranwachsenden ankommt. Man muss das Thema auf jeden Fall schmackhaft machen und viel erklären. Aber ich traue ihm diese Aufgabe zu“, ist Benjamin Piel überzeugt und geht von einem hohen Publikumsinteresse aus: „Wann erklärt einem schon mal ein ehemaliges Staatsoberhaupt Demokratie?“
Mareike Lohmann