Wenn unser Redaktionshistoriker Jürgen Langenkämper richtig gerechnet hat, können wir heute ein spezielles Jubiläum feiern: Die MT-Ausgabe vom 29. Januar 2016 ist exakt die 20.000 Ausgabe, die seit dem Wiedererscheinen des Mindener Tageblatts am 1. Dezember 1949 nach einer sechsjährigen Zwangspause hergestellt wurde.
Ende April 1943 war das MT im Zuge einer vom NS-Reichspropagandaministerium verfügten Aktion gegen noch verbliebene, nicht unmittelbar und direkt von der NSDAP kontrollierte Zeitungen wie zahlreiche andere Titel zwangsstillgelegt worden. Aus Minden berichtete danach bis zum Einmarsch der englischen Truppen im April 1945 nur noch die von der NSDAP selbst herausgegebene, in Münster erscheinende Zeitung „Westfälische Neueste Nachrichten“. Nach Kriegsende wiederum gab es von der britischen Besatzungsverwaltung für so genannte Altverleger keine Lizenz für die Herausgabe von Tageszeitungen; auch hatte die britische Militärverwaltung die Druckmaschinen des MT für eigene Zwecke beschlagnahmt.
Erst mit Erteilung der Generallizenz der Alliierten Hohen Kommission im September 1949 war in der inzwischen gegründeten Bundesrepublik der Weg frei für die Eigentümerfamilie des alteingesessenen Traditionsblatts, einen Neuanfang zu versuchen. Nach dem Tode seines kinderlosen Onkels Max Bruns im Juli 1945 hatte dort inzwischen dessen Neffe Hansheinrich Thomas die Verlegerrolle übernommen. Er machte sich im Dezember 1949, nach mühsam erwirkter Wiederbeschaffung der Druckmaschinen, an die mühevolle Arbeit des Wettbewerbs gegen die inzwischen teils seit vier Jahren auf dem heimischen Markt etablierten Ableger der Bielefelder Lizenzzeitungen – mit bekanntem Ausgang.
Die „Erstausgabe“ des wiedererschienenen MT umfasste am 1. Dezember 1949 genau acht Seiten, und bei diesem Umfang sollte es in den Zeiten anhaltender Mangelwirtschaft auch noch über längere Zeit bleiben. Die Innenstadt Mindens lag immer noch weitgehend in Trümmern, wenngleich der Wiederaufbau zögerlich einsetzte.
In einem „Gruß an die Leser“ gelobte Herausgeber Thomas im Stil der Zeit: „Die Pressefreiheit, die jetzt verkündet wurde, bedeutet eine große Verpflichtung, wir wollen sie freudig tragen. Alle verlegerische und journalistische Arbeit wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich der Schwere und Wichtigkeit ihrer Aufgabe stets bewußt bleibt.“ Dass zur Schwere dieser Aufgabe die Zerrissenheit einer Gesellschaft beitrug, die noch weit entfernt war von einer nachhaltigen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und ihrer Verbrechen, zudem durch die mittel- und unmittelbaren Kriegsfolgen vielfach schwer traumatisiert, schien dem Herausgeber wohl bewusst zu sein. Auch wenn er eher indirekt und im übertragenen Sinn formulierte: „So wollen wir als eine von allen Parteien unabhängige Zeitung an unserem Teil mithelfen, einen Weg aus der äußeren und inneren Verstrickung zu suchen, in der sich alle heute befinden.“
Weiter hinten im Blatt folgte eine Zusammenstellung von Grußworten örtlicher Honoratioren aus Politik, Verwaltung und Handel, die unisono das Wiedererscheinen begrüßten, ebenso wie zahlreiche Briefe an den Verleger und Herausgeber, die auf einer weiteren Seite dokukentiert wurden.
Das zurückgekommene MT wurde nicht nur von seiner angestammten Leserschaft freudig begrüßt. Es gelang ihm in den Folgejahren auch, zahlreiche neue Leser unter den Neuankömmlingen in der Mindener Region zu gewinnen. Eines der großen gesellschaftlichen Themen damals, das durchaus auch für Konflikte sorgte: die Aufnahme und Integration der zahlreichen Kriegsflüchtlinge, die vielfach nicht gerade mit offenen Armen empfangen wurden. Heute sind die Ausgaben der Wettbewerber Geschichte. Und die Herausforderungen für Verlegerfamilie, Verlag und Redaktion andere. Geblieben ist die Rolle der Heimat-Zeitung als zentraler Mittler bürgerschaftlicher Kommunikation – inzwischen auch über vielfältige digitale Kanäle.