Also, ich habe mich jetzt auch gemeldet bei den Fernsehanstalten. Als Experte, von denen jetzt in jeder Nachrichtensendung mindestens einer auftreten muss. Wer nur im geringsten Verdacht steht, etwas zur Katastrophe in Japan oder zur Atomkraft im Allgemeinen sagen zu können, wird vor die Kamera geholt.
Die Fernsehmacher haben sich aber noch nicht bei mir gemeldet. Sie wissen wohl nicht, dass ich auch ein Experte bin. Ich habe nämlich von meinem letzten Besuch eines Sushi-Schnellimbisses (ist nicht so mein Fall) in Düsseldorf die Essstäbchen mitgenommen. Mit meinem Nachbarskind habe ich mich kürzlich über Tokyo Hotel unterhalten und physikalische Schmelzprozesse, egal ob Fett in der Pfanne oder Schmelzkäse im Wasserbad, habe ich schon mehrfach mit und ohne Erfolg angewendet.
Ich weiß also auch, was passiert, wenn ein Schmelzprozess misslingt. Auch einer Fettexplosions-Vorführung der Feuerwehr habe ich schon beigewohnt. Ach ja: Letztes Jahr schwappte mir Wasser in den Keller.
Zugegeben, einen Kern habe ich noch nicht zu schmelzen versucht, aber das hat noch keiner der Experten geschafft, die jetzt alle fünf Minuten für zwei, drei Sätze in den Fernsehanstalten als „unser Atomexperte“ pathetisch angekündigt werden.
Und auf die Frage: „Welche Nachrichten haben Sie aus Japan, was wissen sie über den augenblicklichen Stand?“ könnte ich auch, wenn ich mir eine Stunde lang TV-Berichte ansehe, sagen: „Wir haben vorhin noch mit unseren Kontaktleuten dort gesprochen, aber es ist sehr schwierig, verlässliche Informationen zu bekommen. Alles, was wir wissen, ist …“ Und dann wird erzählt, was vorher als Agenturmeldung, Korrespondenten-Bericht oder Youtube-Video gesendet worden ist.
Als Experte muss man aufpassen, dass man keine schlimmen Befürchtungen äußert. Also nicht: „Eine Reaktorexplosion würde Millionen Menschen radioaktiver Strahlung aussetzen“ oder „Halb Japan wäre auf Jahrhunderte verseucht“, sondern: „Es könnte zu einem Anstieg der Temperatur im Inneren des Reaktors (wo sonst?) und damit des Drucks (Physik für Elementarschüler: Wärme dehnt aus) kommen, aber das ist noch nicht sicher.“
Wenn es dann gekracht haben sollte – was die 50 Todgeweihten in den Reaktorblöcken verhindern mögen –, sagt man: „Wie ich bereits erklärte, war die Katastrophe unvermeidlich.“
Nur wer diese Technik beherrscht, ist ein echter Fernsehexperte. Vielleicht bin ich ja doch nicht der Richtige.
In diesem Sinne, ein schönes Wochenende
Hartmut Nolte, Lokalredaktion