„Die Zukunft des Journalismus liegt im Lokalen – ob print oder online“ stellte Berthold Flöper von der veranstaltenden Bundeszentrale für politische Bildung in seinem Schlusswort zum 20. „Forum Lokaljournalismus“ fest. Da liegt sie nicht nur den Befunden der Medienwissenschaftler und den Empfehlungen der Verbandsoberen allerdings schon länger. Allein: Der wirtschaftlich schmerzende Rückgang der gedruckten Auflagen bei gleichzeitigem Schrumpfen der Anzeigenteile lässt sich nicht nur mit Zuversicht, besserer Qualität und Ausbildung oder mehr Lesernähe bekämpfen. Die gleichzeitig explosionsartig wachsenden Online-Reichweiten der Zeitungen verschaffen vor allem den Verlagsverantwortlichen angesichts bislang mangelnder tragfähiger Geschäftsmodelle nur wenig Linderung. Dass sie die digitale Zukunft verschlafen, predigt man den Zeitungen schon länger. Wo genau – außer im Experimentieren – die liegen könnte, hat ihnen bisher aber auch noch kein Internet-Guru verraten können.
Zwei Tage lang hatten mehr als 180 Chefredakteure und Lokalchefs aus deutschen Lokal- und Regionalzeitungen, Medienjournalisten, Wissenschaftler und Experten in Bremerhaven der „Faszination Lokaljournalismus“ nachgespürt, nicht ohne sich dabei in zahlreichen Vorträgen, Foren und Podiumsdiskussionen immer wieder mit Defizitanalysen und Versäumnis-Feststellungen konfrontieren lassen zu müssen.
So kritisierte Leserforscher Carlo Imboden (Readerscan) aus der Schweiz zum Beispiel die in vielen Redaktionen immer noch weitverbreitete Orientierung an Termin- und Pressure-Group-Journalismus. „Mit Feuerwehrfotos und Jahreshauptversammlungs-Berichten von Fibromyalgie-Selbsthilfegruppen werden Sie die Herausforderungen des Internetzeitalters ganz sicher nicht bestehen“, spitzte er seine Thesen von der seiner Auffassung nach mangelnden Ausrichtung an die breite Leserschaft interessierenden Themen zu. „Solide und hartnäckige Recherche, glasklare und kompetente Analyse, sichere und kritische Meinung“ hatte zum Auftakt bereits BpB-Präsident Thomas Krüger eingefordert. Und dabei nicht verhehlt, dass ihm dies in vielen Lokalteilen nach wie vor zu kurz komme.
Wie ein roter Faden zog sich auch durch diesen Zeitungskongress wieder die Frage, wie es denn mit dem Internet zu halten sei. Längst gehören eigene Onlineangebote zum Standard der deutschen Lokal- und Regionalzeitungen. Auch der wachsenden Bedeutung sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter versuchen sie zunehmend gerecht zu werden. Zwischen Anspruch und journalistisch wie organisatorisch gelebter Crossmedia-Wirklichkeit klaffen hier und da allerdings durchaus Welten, wie eine in Bremerhaven vorgestellte Studie der Münchener Hochschule der Bundeswehr zeigte. Und vollends ratlos machte manchen Teilnehmer die per Videobotschaft aus den USA übertragene Empfehlung des erfolgreichen „Deseret News“-Herausgebers Clark Gilbert, statt „online first“ lieber gleich „only online“ als Devise in der digitalen Arena zu verfolgen.
Online hin, gedruckt her: Einigkeit bestand auf Macher- wie auf „Kunden“-Seite aus Politik und politischer Bildung, dass die Zeitung für die Demokratie unverzichtbar sei. Und dass es professionellen „Graswurzel-Journalismus“ an der Basis bedürfe, um das Publikum von heute wie das von morgen nicht nur zu binden, sondern es überhaupt in den Stand zu versetzen, auf der Basis ausreichender Informiertheit am Gemeinwesen mitzuwirken. Die Lokalzeitung müsse es schaffen, wieder zum Debattenforum zu werden, vergewisserte sich das Schlussforum der ureigensten Aufgabe des Mediums: Nüchtern und neutral zu informieren, alle Argumente und Seiten zu Wort kommen zu lassen. Als Motor von eigenen politischen Kampagnen, wie es etwa ein österreichischer Kollege für sein Blatt beispielhaft vorstellte, mochte man sich jedenfalls eher nicht sehen.
Selbst dem Bundesvorsitzenden der Piraten, Sebastian Nerz, ging das zu weit. Vielmehr verteidigte er zur großen Überaschung der Moderatorin mit Verve die „Entschleunigungsmöglichkeit“ vertiefender Print-Lektüre. Dass er schnelle Internetangebote von Zeitungen für unverzichtbar hält, verstand sich anschließend natürlich von selbst. Genauso wie die Aussage: „Eine Zeitung, die keinen Twitter-Account hat? Das geht gar nicht“. Das Fazit des Verfassers: So gesehen, macht das Mindener Tageblatt vielleicht schon mal einiges richtig.
Mehr zu den Themen und Debatten auf dem „20. Forum Lokaljournalismus“ bei www.drehscheibe.org/weblog
Autor: Christoph Pepper