Der Mensch sei ein denkendes Wesen, wird stets von eben solchen behauptet. Das unterscheide ihn von anderen Lebewesen.
Das ist falsch. Nicht, dass der Mensch nicht denken könnte, wenn er wollte. Es ist nur kein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Affenarten oder zum Beispiel der Löwengruppe, die in der afrikanischen Steppe ein Rudel Gnus umkreist, oder von der Fledermaus, die im Düsenjägertempo in der Abenddämmerung Mücken jagt.
Im Gegenteil. Der Mensch denkt nur wenig und selten. Erst denken, dann handeln ist nicht seine Art. Nicht umsonst spricht man von Nach-Denken. Vordenker sind rar.
In über 95 Prozent unserer Tätigkeiten wird zuerst gehandelt, dann eventuell gedacht, haben Forscher herausgefunden. Den Beweis dafür kennt jeder Autofahrer: War die Ampel, an der ich eben auf meinem Heimweg routinemäßig vorbeigefahren bin, wirklich grün?, fragt man sich 100 Meter weiter. Man hat an was ganz anderes gedacht. Autofahren ist Routine. Nur ein plötzlich von rechts kommender Fußgänger reißt uns daraus. Aber auch dann denken wir nicht, wir handeln zuerst – instinktiv. Gottseidank, denn im Denken sind wir viel zu langsam.
Routine sind Gewohnheiten, die sich mit jeder Wiederholung tiefer ins Gehirn einschleichen und dort das Denken verdrängen. Die Weisheit stammt von meiner alleinerziehenden Ehefrau. „Ewig lässt du den Klodeckel auf, typisch Mann“, schimpfte sie. „Kannst du dir das nicht mal abgewöhnen?“ Jetzt war ich zum Denken gezwungen. Erfolgreich, natürlich: „Wenn du dir abgewöhnst, ewig das Licht brennen zu lassen, wenn du einen Raum verlässt“, konterte ich.
Im Freundeskreis haben wir das Thema diskutiert. So widersprüchlich es klingt: Wir haben über unsere denkfreien Routinehandlungen nachgedacht. Und jeder hatte sein Beispiel parat. Da schnitt der eine seine Wurstscheiben stets auf der Küchenarbeitsplatte ohne ein Brett drunterzulegen, eine andere lässt die Schuhe da stehen wo sie sie auszieht – auch mitten im Weg, usw. usw.. Dass den Frauen mehr Gedankenlosigkeiten einfielen als den Männern sei nur am Rande erwähnt. Das hat mit Denkfähigkeit nichts zu tun. Nur mit größerem Erinnerungsvermögen. Und wie eine Kollegin bemerkte, mit dem Wert, den Frauen solchen Kleinigkeiten beimessen.
Dabei fiel mir ein alter Denkspruch ein: Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage.
Ach ja, der Klodeckel bei uns ist jetzt jedes Mal zu. Wenn ich dran denke.
In diesem Sinne: ein schönes Wochenende!
Von Hartmut Nolte, Lokalredaktion