Mir war es auch schon seit Längerem aufgefallen, dass Kommasetzung offensichtlich nicht mehr zum Deutschunterricht gehört. Ich streiche trotzdem unentwegt in Texten von Praktikanten herum und erzähle was von erweiterten Infinitiven mit „zu“ und Appositionen, die in Kommata einzuschließen sind. Ich habe ein gewisses Verständnis für Lehrkörper, die sich erst abgewöhnt haben, die Welt zu verbessern, dann das nordrhein-westfälische Schulsystem, und jetzt auch noch darüber klagen, dass es zu ihren Aufgaben gehört, die Arbeiten ihrer Schüler zu verbessern.
Das macht es mir als Vater nicht leichter. Denn meine Töchter meinen schon, ich solle sie auch nicht mehr verbessern. Und das scheint, um sich gegriffen zu haben. Ein Freund von mir, der an einer Uni angehende Journalisten unterrichtet, klagte unlängst über Schwächen seiner Studenten – also alles junge Menschen, die mittels Sprache später mal ihre Brötchen verdienen wollen – in Orthografie und Zeichensetzung. Die beste Bewerbung für die Zulassung zum Master-Studium habe eine Studentin mit Migrationshintergrund abgegeben. So weit ist es schon, dass Leute, die hinterm Kaukasus geboren sind, besser Deutsch können als unser eigener Nachwuchs.
Nein, es ist noch weiter. Unser eigener Nachwuchs kann sogar noch besser Deutsch als mancher Lehrer. Die Auszubildenden in dem Unternehmen, in dem meine Frau in einer nahegelegenen größeren Stadt arbeitet, sind unzufrieden mit ihrer Deutsch-Lehrerin. Die scheine an Legasthenie zu leiden, könne „v“ und „f“ nicht unterscheiden und schreibe also „fon“ statt „von“. Das fällt selbst Azubis auf und stört sie – noch!
Bei der Schulleitung beschweren mögen sie sich aber auch nicht. Denn die Lehrerin gibt wohl ganz gute Noten. Um gerecht zu sein, hat sie sich einen Sitzplan gemacht, in dem jeder vermerkt ist – wie auch immer die Namen geschrieben sein mögen. Auch der Pfeiler im Unterrichtsraum ist vermerkt, und wer rechts und links davon, vor und hinter ihm sitzt. Bei der Zensurenbesprechung neulich hat die Lehrerin vorgelesen, welche Note jeder so erhalten solle. Veila stand zwischen zwei und drei.
Ich war empört, als meine Frau mir davon berichtete. „Der hat doch nichts gesagt“, regte ich mich auf. „Bei mir bekäme so ein Pfeiler eine Beton-Sechs“, war ich streng. Als wir darüber diskutierten, zeigte mein Freund Peter, ein Physiotherapeut, mehr pädagogisches Verständnis: „Er hat eine Eins verdient. Er war doch eine Stütze des Unterrichts . . .!“
Das sehe auch ich ein. Also kann unterm Zeugnis wohl nur stehen: Der Beton-Pfeiler wird versetzt!
In diesem Sinne: ein schönes Wochenende.
Jürgen Langenkämper,
Lokalredaktion