Darf ein ein getöteter Diktator in Fotos und Bewegtbildern gezeigt werden? Und wenn ja, in welcher Form? Mit dieser Frage hatte sich jetzt der Deutsche Presserat zu beschäftigen. Dem Beschwerdeausschuss lagen zu seiner Sitzung am 6. und 7. Dezember in Berlin insgesamt 49 Beschwerden zur Berichterstattung über den gewaltsamen Tod Muammar Al-Gaddafis in Libyen vor.
Unter anderem so hatte das MT über den Tod des Diktators berichtet. Die Redaktion hatte sich bewusst gegen den Abdruck von Nahaufnahmen des Getöteten entschieden. Repro: MT
Wie das Selbstkontrollgremium der deutschen Presse nach Abschluss der Beratungen nun mitteilte, ist der Presserat grundsätzlich der Auffassung, dass der Tod von Diktatoren auch in Bildern festgehalten werden darf. Eine Tabuisierung des Todes sollte es in den Medien nicht geben.
Selbstverständlich, so das Gremium in einer heute verbreiteten Pressemitteilung, sei der Anblick eines getöteten Menschen kein Anblick, dem sich ein Leser oder Internet-User in der Regel gerne stelle. Dennoch gehöre es zu den Aufgaben der Presse, auch solche Informationen in Wort und Bild zu vermitteln, die Gewalt, Krieg und Sterben beinhalten. Die Darstellung des toten Gaddafis verstoße daher nicht per se gegen den Grundsatz der Menschenwürde nach Ziffer 1 des Pressekodex. Auch die Ziffer 11 des Kodex, die eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Tod untersagt, sei nicht automatisch verletzt. Deshalb wies der Beschwerdeausschuss 2 des Presserats auch insgesamt 14 Beschwerden aus diesen Gründen als unbegründet zurück. Die Bilder seien Dokumente der Zeitgeschichte.
Dennoch, so die Pressemitteilung weiter, sei bei der Darstellung darauf zu achten, in welcher Form die Bilder gezeigt werden. So haben zwei Boulevardzeitungen ein Foto des blutverschmierten Gesichts des toten Gaddafi, gezoomt und vergrößert, auf der Titelseite über dem Bruch veröffentlicht. Hierin erkannte der Ausschuss einen Verstoß gegen Aspekte des Jugendschutzes. In Ziffer 11 wird ausdrücklich gesagt: „Die Presse beachtet den Jugendschutz.“ Darüber hinaus regelt die Richtlinie 11.1 (unangemessene Darstellung) besonders die Platzierung von solchen Fotos. Hier heißt es:
„Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird.
Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.“
In beiden Fällen sprach der Beschwerdeausschuss eine Missbilligung aus – bei insgesamt 35 Beschwerdeführern.
Insgesamt wurden in den zwei Beschwerdeausschüssen 158 Beschwerden zu unterschiedlichsten Themen behandelt, darunter drei Mehrfach-Beschwerden mit insgesamt 64 Beschwerdeführern.
Neben den zwei öffentlichen Rügen gab es 16 Missbilligungen und 27 Hinweise. In 72 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. In sechs Fällen wurde die Beschwerde als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet. In einem Fall gab es mehrere Beschwerdeführer gegen eine Publikation, die Maßnahme wird hier jedoch nur einmal gezählt.
Auch der MT-Redaktion hatten Bilder vom getöteten Diktator vorgelegen, unter anderem Nahaufnahmen seines Leichnams. Nach intensiver Diskussion in der Redaktionskonferenz war entschieden worden, auf den Abdruck zu verzichten.