Heute möchte ich einmal eine Lanze für die Deutsche Bahn brechen. Während alle Welt sich über Verspätungen im Hin und Her des Verkehrskonzerns beschwert, kann ich nur sagen: Die Bahn ist äußerst pünktlich. Sozusagen bis auf die eintausendstel Sekunde pünktlich. Zumindest was die Abfahrtzeiten betrifft.
Auf die Minute genau traf der Intercity auf Gleis 13 des Mindener Bahnhofes ein. Reges Gedränge herrschte beim Aus- und Einsteigen. Unser Gast aus dem Ausland, der über den Jahreswechsel einmal westeuropäisches Weihnachten und Neujahr kennenlernen wollte, war schwer bepackt. Die Koffer in den Waggon gehievt, brachte ich die junge Frau noch zum Platz. Gemeinsam drängelten wir uns durch den engen und mit Reisegepäck gefüllten Gang, als ich meine Ihnen seit vielen Jahren bekannte beste Ehefrau von allen auf dem Bahnsteig deutlich gestikulierend sah. Die Handbewegungen machten eindeutig klar: Der Zug fährt gleich ab.
Ohne unseren Gast noch groß zu verabschieden, stürmte ich zur Tür. Die war aber leider bereits fest verschlossen. Alles Ziehen und Drücken der Tür half nicht.
Der Zug stand noch, als ein freundlicher Schaffner mit den Worten auf mich zu kam: „Sie haben gerade eine Freifahrt gewonnen:“
Während ich und unser Gast – wie meine Frau mir dann einen Augenblick später telefonisch mitteilte – ziemlich erstaunt aus der Wäsche guckten, teilte mir der Bahnmitarbeiter noch freundlich mit, dass der IC erst in Hannover wieder halten werde. Und er fragte noch fürsorglich: „Sie haben Ihr Auto hoffentlich nicht im Halteverbot geparkt?“ Was ich guten Gewissens verneinen konnte.
Ohne eine Nachfrage suchte mir der Schaffner noch einen Zug heraus, der zeitnah von Hannover wieder nach Minden fuhr. Und er empfahl mir geradezu freundschaftlich, vorsichtshalber aber in Hannover einen Fahrschein zu kaufen, weil ich vermutlich dem Bahnmitarbeiter im Rück-Zug nur schwerlich erklären könne, dass ich diese Fahrt unfreiwillig tätigen würde.
Abgesehen davon, dass der Intercity zwischen Bückeburg und Stadthagen einen außerplanmäßigen Stopp einlegte, wir mit 13 Minuten Verspätung in der Leine-Metropole ankamen und ich in Hannover nur sechs Minuten Zeit hatte, mir eine Fahrkarte zu besorgen und in den Rück-Zug zu springen, genoss ich die Fahrt nach Minden, wo der Zug mit etwa zehn Minuten Verspätung ankam.
Allerdings brachte mich ein Anruf einer guten Freundin zum Grübeln, die von meinem unfreiwilligen Ausflug durch meine liebe Frau erfahren hatte. Inhalt des Telefonates: „Ganz der Gentleman, Du bringst Deinen Gast sogar nach Hause.“ Ob sie das mit dem Gentleman ernst gemeint hat?
In diesem Sinne: ein schönes Wochenende!