Jeder Autofahrer kennt das: Während man friedlich und nichtsahnend, die Gedanken sonstwo, eine bekannte Straße entlang fährt, wird man plötzlich aufgeschreckt von einem schwarzen kleinen Etwas, das – meist von rechts – wenige Meter, manchmal Dezimeter, vor der Scheibe vorbeizischt. Es war die Amsel, würde Shakespeare-Star Romeo Capulet aus Verona sagen. Die todesmutigen Vögel scheinen sich ein Spiel daraus zu machen. Ich vermute, da sitzt eine ganze Amsel-Horde(?) auf einem Straßenbaum und einer muss fliegen, wenn ein Auto kommt. Und hat er es dann in minimaler Vorbeiflugentfernung geschafft, bekommt er von den Amseldamen auf der anderen Straßenseite Beifall per Schnabel (Klatschen mit den Flügeln geht auf dünnen Ästen wegen des Gleichgewichts nicht). Daher auch die lauten Stimmen dieser Kamikaze-Piloten der Tierwelt. Und deswegen Urheimat Japan.
Aber auch bei den Menschen gibt es solche Adrenalinkicker, die mit Japan jedoch nichts zu tun haben. Das sind die, die noch bei Dunkelgelb über die Ampel flitzen oder 70 Meter vorher bei Umspringen auf Gelb auf das Gaspedal treten. Mag das zum Kickbedarf mancher Leute gehören, für die es dann prasselnden „Beifall“ von der Polizei gibt, wenn sie erwischt oder fotografiert werden, eines aber geht gar nicht. Überhaupt nicht. Und doch passiert es. Die Missachtung der Signale von Notfallfahrzeugen.
Gestern hatte ich da ein einschneidendes Erlebnis. Ort: die sogenannte Burger-Kreuzung, Stiftsallee/-straße/Ringstraße, Mindens großzügigster, am besten überblickbarer Verkehrsknotenpunkt. Ich stehe mit dem Rad an der Ampel und höre aus Richtung Feuerwache das Tatütata des Rettungswagens. Es wird lauter und als der Wagen die Kreuzung erreicht, ist die Ampel für den Fahrer Rot. Vorsichtig, nahezu im Schritttempo schleicht er sich – obwohl es für seinen nächsten Patienten um Sekunden geht – in die freie Kreuzung hinein. Alle Autofahrer warten, einer macht frühzeitig Platz für die Vorbeifahrt der Retter. Nur einer, der Fahrer eines blauen Golf oder Polo älteren Jahrgangs, meint, von der Stiftstraße in die Kreuzung einfahren zu müssen. Er hat ja Grün.
Es dürften weniger als drei Meter gewesen sein, die er vor dem inzwischen zum Stand gebremsten Rettungswagen seelenruhig vorbei fuhr. Mit Adrenalinkick hat das nichts mehr zu tun. Das hätte nicht einmal eine Amsel gewagt.
In diesem Sinne: ein schönes Wochenende!