Von Monika Jäger
Fußball, der Sport, der eine Nation zu „Schland“ eint, hat meine Freundin Simone und ihren Mann Martin getrennt – jedenfalls vorübergehend. Denn obwohl sich die zwei fast blind verstehen, wenn es um die Wahl des nächsten Urlaubsortes geht (Cornwall, weil sie für die Artussage schwärmen), um die Bestellung eines Erfrischungsgetränks (Irisches Dunkelbier, weil sie sich da bei einem Urlaub näher kennen gelernt haben) oder sogar um die Wahl des Namens ihres noch zu erwartenden ersten Kindes (Gwen oder Gawain, siehe oben) – beim Fußball gibt es grundsätzlich Stress.
Zum Beispiel neulich. Da saßen wir zum „Rudelgucken“ auf Sofas und Sesseln verteilt vom Fernseher. Simone hatte Häppchen gemacht (Gurkensandwiches ohne Rand, sie liest gerade die alten Krimis von Agatha Christie), und es war ein paar Minuten nach dem Anpfiff. Die Männer wurden gerade warm („Die soll endlich mal den Ball abgeben“, „Die kleine Schwarze ist echt ne Kämpferin“), da holte Simone tief Luft und sah sich in unserer Runde um. „Diese Werbung da am Rand ist blöd. Was soll das? Ich will Fußball sehen und keine Werbung.“
Pässe, Spielaufbau und Torchancen waren vergessen: Die Männer einten sich stumm zur Front und ergriffen begeistert den Fehdehandschuh. „Werbung muss sein. Sonst könnten die die Spiele nicht übertragen. Wär zu teuer“ – Martin, beste Oberlehrerstimme. Dreifaches Männernicken. Wir Frauen rückten solidarisch ein wenig enger zu Simone. „Ach was, die bringen doch immerzu Werbung. Außerdem ist Bandenwerbung total langweilig.“ Hartnäckig setzte sie nach: „Und auf den Trikots der Bundesliga auch. Ich kaufe doch kein Auto, nur weil elf Kerle mit dem Logo der Automarke auf der Brust 90 Minuten auf dem Bildschirm hin und her rennen.“ „Aber vielleicht ein Paar Schuhe“, murmelte einer der anderen Männer auf dem Sofa leise und respektlos vor sich hin.
Martin brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen und kaute demonstrativ den Bissen Gurkensandwich zuende, den er im Mund hatte. Während wir beobachteten, wie er im Geiste Argumente aufstellte, um sie gleich mit Wucht nacheinander abzufeuern, wartete Simone seelenruhig ab . Dann, als Martin gerade ansetzen wollte, redete sie unbekümmert weiter: „Werbung muss abenteuerlich, unerwartet und spannend sein. Weiß doch jedes Kind.“
„Bei einem Fußballspiel?“ Die Männer sahen einander zweifelnd und nachsichtig grinsend an (und auch wir Frauen waren nicht mehr ganz davon überzeugt, dass Simone bei diesem Wortgefecht noch gute Chancen hatte). „Klar“ sagte Simone. „Die beste Werbung habe ich mal erlebt, als ich mit der Truppe aus meiner WG vor vielen Jahren zu einem Fußballspiel hier in der Nähe gefahren bin. Welche Vereine da waren und was die auf ihren Trikots hatten – das weiß ich heute nicht mehr. Aber wer das Spiel sponserte, das kann ich Euch noch genau sagen. Die Firma ließ nämlich kurz vor Beginn des Spiels einen echten Fesselballon aufsteigen, mitten vom Spielfeld aus.“
„Tolle Werbung“ – Martin, Zen-Meister der Ironie und der Geduld. „So etwas Besonderes ist so ein Ballon nun wirklich nicht.“ „Stimmt“.- Simone lächelte lauernd. „Gemerkt hab ich mir das aus einem anderen Grund. Den Schlüssel für den Transporter, mit dem der Ballon aufs Feld gebracht worden war, hatte der Ballonpilot in der Tasche – als das jemandem auffiel, war der allerdings schon kilometerweit weg. Dumm gelaufen.“ Jetzt hatte sie unsere volle Aufmerksamkeit.
„Und? Ist das Spiel ausgefallen?“ frage Martin, widerwillig aber neugierig. „Nee, die haben den Wagen einfach mit mehreren Mann vom Platz getragen und geschoben.“ Während wir uns das alle gerade amüsiert kichernd vorstellen, wird es im Fernseher laut: „Tooooooooooooooooor!“ Ja, und das ist der Grund, warum wir jetzt nicht mehr im Rudel gucken. Martin und seine Freunde sitzen im Wohnzimmer, Simone und wir Mädel im Garten. Weils besser ist.